Dokumente

Die geheimen Kampusch-Protokolle

Teilen

Vier Jahre – so lange blieben die ersten Einvernahme-Protokolle mit Natascha ein streng gehütetes Geheimnis. ÖSTERREICH lüftet es heute.

Die Dokumente werden gehütet wie ein Gral. Sie liegen bei einem Richter in Wien. Im Tresor, versperrt hinter Schloss und Riegel. Der Inhalt ist so brisant, dass bisher fast niemand Einblick bekam.

Nicht der extra eingerichtete parlamentarische Untersuchungsausschuss, nicht die Adamovich-Evaluierungskommission, nicht einmal die SOKO Kampusch. „Die wenigen, die die Dokumente kennen, wissen, warum“, sagt der Grüne Peter Pilz. Er ist einer davon. In ÖSTERREICH und auf seiner Homepage (www.peterpilz.at) veröffentlicht Pilz ab heute die bisher streng geheimen Papiere, die politischen Sprengstoff bieten.

Zum allerersten Mal können Sie heute in ÖSTERREICH lesen, was Natascha Kampusch bei der ersten Befragung durch die SOKO am 24. August 2006 wirklich gesagt hat (siehe rechts).

Kampusch berichtet vom „unguten Bauchgefühl“, als sie Priklopil zum ersten Mal sah. Sie erzählt, wie er sie entführte und mit einem Kastenwagen in einen Wald bei Strasshof brachte. Und dann sagte Kampusch einen Satz, der die Einzeltätertheorie gehörig ins Wanken bringt: „Plötzlich sagte er zu mir, dass er mich woanders hinbringe, da die anderen nicht gekommen sind.“

Mittäter
Wer sind diese Mittäter oder Mitwisser? Die Polizisten fragten nicht nach. Kampusch weiter: „Irgendwie kann ich mich dunkel erinnern, dass damals von einer dritten Person die Rede war.“ Der nächste Hinweis. Doch die drei Polizisten ignorieren ihn einfach.

Vielmehr wollen sie von Kampusch in der sechsstündigen Befragung Details zu intimen Kontakten mit Priklopil wissen. So lange, bis die Befragung durch den Psychologen Ernst Berger abgebrochen werden muss. ÖSTERREICH druckt diese Passagen bewusst nicht ab. Denn viel brisanter ist: Warum wollte die Polizei nichts von Mittätern wissen?

Vertuschung
Pilz: „Einiges deutete auf einen zweiten Täter hin. Aber das passte nicht ins Bild der erfolgreich abgeschlossenen Ermittlungen.“ Hintergrund: Im Herbst 2006 standen Nationalratswahlen an. Die ÖVP und ihre damalige Innenministerin Liese Prokop wollten den Fahndungserfolg feiern. Die Schlüsselfiguren laut Pilz: Der VP-nahe stellvertretende Generaldirektor für Öffentliche Sicherheit, Franz Lang und Bernhard Treibenreif. Sie sollen Generalmajor Karl Mahrer die Weisung gegeben haben, nicht weiter zu ermitteln. Zwei Fakten im Fall Kampusch wurden so laut Pilz systematisch vertuscht:

  • Dass es bereits kurz nach der Entführung 1998 zwei Hinweise auf den Täter Wolfgang Priklopil gab.
  • Dass mehrere Hinweise auf Mittäter einfach ignoriert und unter den Teppich gekehrt wurde.

Für den Grünen Pilz ein „politischer Skandal“.

Fehler im Artikel gefunden? Jetzt melden.