Urteil in Wien

5 Jahre Haft für Muttermörderin (15)

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Der Schuldspruch wurde einstimmig im Sinne der Anklage gefällt.

Das 15 Jahre alte Mädchen, das am 13. April 2010 in Wien-Margareten die eigene Mutter erstochen hatte, ist am Mittwoch im Straflandesgericht einstimmig wegen Mordes schuldig gesprochen worden. Das Schwurgericht verhängte eine fünfjährige Freiheitsstrafe. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Verteidiger Ernst Schillhammer verzichtete auf Rechtsmittel, Staatsanwalt Christian Mayer gab vorerst keine Erklärung ab.

Das Mädchen wird nun vom Landesgerichtlichen Gefangenenhaus "möglichst rasch" ins Frauengefängnis Schwarzau verlegt, wie die Richterin ankündigte. Die 15-Jährige machte bei der Urteilsverkündung einen äußerlich gefassten Eindruck. Nach der Verhandlung trat ihr Vater zu ihr, streichelte ihr den Rücken und flüsterte ihr ein paar Sätze ins Ohr. Er werde sich "weiter um sie kümmern", hatte der 44-jährige Witwer in seiner Zeugeneinvernahme angekündigt. Schon bisher hat er seine Tochter regelmäßig im Gefängnis besucht.

Streitereien begannen früh
Das Mädchen war einem mehrminütigen Blitzlichtgewitter ausgesetzt, ehe der Prozesse beginnen konnte. Während der Ausführungen des Staatsanwalts und des Verteidigers schluchzte das ganz in weiß gekleidete Mädchen stellenweise lautlos in ein Taschentuch.

Der Bluttat waren jahrelange Streitereien zwischen der Mutter und ihrer Tochter vorausgegangen. "Mit zehn hat das alles begonnen", schilderte die seit kurzem 15 Jahre alte Angeklagte. Ihre Mutter habe sie immer wieder beschimpft, auch geschlagen. Sie habe zurückgeschlagen und sich ausgemalt, mit einem Messer auf die Mutter loszugehen, "seitdem sie mich immer gehaut hat".

Eine Version, die der Vater des Mädchens in seiner Zeugenaussage bestätigt. Er berichtet von Wutausbrüchen seiner offenbar unzufriedenen Frau, die sich vor allem gegen die Tochter gerichtet hätten.

"Wollte mich nur abreagieren"
Ihren Tötungsfantasien ließ die Hauptschülerin im Internet freien Lauf, wo sie einen Blog schrieb. Entsprechende Einträge über die Mutter waren dort schon im November 2008 zu lesen. Im November 2009 erklärte die damals 14-Jährige, es wäre "eigentlich besser, sie umzubringen". Es sei "eigentlich schade, dass ich kein Messer genommen und ihr den Hals aufgeschlitzt habe".

"Ich wollte mich nur abreagieren. Ich habe gedacht, ich würde es nicht tun", nahm das Mädchen zu diesen Zeilen Stellung, wobei sie sich während ihrer Einvernahme - absichtlich oder unbewusst - die langen Haare ins Gesicht hängen ließ, sodass sie dahinter zu verschwinden schien. Ihre recht große Brille hatte zusätzlich eine Art Schutzfunktion gegenüber den neugierigen Blicken der seitlich von ihr sitzenden, nur rund zwei Meter entfernten Geschworenen.

Sieben Mal auf Mutter eingestochen
Am 13. April kam es einmal mehr zu einem Streit. Die 37-jährige Svetlana D. verlangte, ihre Tochter möge entweder den Fernseher oder ihren Laptop abschalten. Dass beide Geräte gleichzeitig in Betrieb waren, hatte schon oftmals für Reibereien und tätliche Auseinandersetzungen gesorgt. "Ich habe aber nicht auf sie reagiert. Dann kam sie zu mir und schlagte mich und nannte mich 'Schlampe'. Dann ging sie auf die Toilette", schilderte das Mädchen in grammatikalisch nicht ganz korrektem Deutsch den weiteren Ablauf.

Die damals 14- Jährige holte sich aus der Küche ein Messer mit einer Klingenlänge von zwölf Zentimetern: "Ich war wütend auf die Mama." Als sie berichtete, wie sie der Mutter ins Bad folgte und siebenmal auf die Frau, die ihr den Rücken zugekehrt hatte, einstach, weinte die Angeklagte und schnäuzte sich in ein Taschentuch.

Über Handypeilung ausfindig gemacht

Als Svetlana D. leblos in ihrem Blut lag, "machte ich die Tür zu. Ich nahm andere Klamotten. Ich nahm den Schlüssel und das Handy und rannte dann weg."  Zuvor hatte die Tochter die Badezimmertür von außen abgesperrt, "weil ich nicht wollte, dass sie herauskommen kann", wie sie dazu unmittelbar nach ihrer Festnahme erklärt hatte.

Die Handschellen klickten für die äußerlich äußerst kindlich wirkende Schülerin, als sie mit ihrem Mobiltelefon den Vater anrief und so gepeilt werden werden konnte. Das Mädchen wurde in einem Park unweit vom Tatort in Wien-Margareten aufgegriffen.

"Ich wollte sie nicht töten. Ich wusste nicht, was ich tue", versicherte sie am Ende ihrer Einvernahme mehrfach. Auf Befragen des Verteidigers Ernst Schillhammer, was sie sich am liebsten wünsche, entgegnete das Mädchen: "Dass es ruhig ist und wir uns vertragen."

Gewaltfantasien gegen Bruder
Die Tötungsfantasien der 15-Jährigen beschränkten sich nicht nur auf ihre Mutter. Auch über ihren um zwei Jahre jüngeren Bruder ließ sie sich im Internet aus, während sie den wenigen Freundinnen, die das in der Schule ungeliebte und oft verspottete  Mädchen hatte, nichts von ihren familiären Problemen erzählte. In ihrem Blog malte sie sich dafür aus, wie sie auf den Zwölfjährigen losging.

Damit konfrontiert, gab die Angeklagte zu Protokoll: "Ich hasste meinen Bruder nicht. Aber ich hasste es, wenn meine Mama meinen Bruder lieber mochte." Diese habe ihn bevorzugt. Sie sei eifersüchtig gewesen, weil die Mutter zu ihm "lieb" war.

"Ich wollte aus dem Fenster springen"

Der Bub, der gemeinsam mit seinem Vater die tote Mutter in einer Blutlacke im Badezimmer gefunden hatte, befand sich bis Juli in psychiatrischer Behandlung. Bis dahin war er auch nicht in der Lage, die Schule zu besuchen. Inzwischen hat sich sein Befinden zumindest so weit gebessert, dass er wieder am Unterricht teilnehmen kann.

Die 15-Jährige erzählte am Ende ihrer Einvernahme von Selbstmordgedanken: "Ich wollte aus dem Fenster springen oder vor ein Auto." Sie habe sich irgendwann mit einem Messer oberflächlich an den Armen verletzt, weil ihr Leben "so scheiße" gewesen sei. Auch in ihrem Blog fanden sich dahingehende Äußerungen: "Was ich mir wünsche? Dass ich verrecke."

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