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Terror-Verfahren

Sittenwächter kannte Berlin-Attentäter

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Er wurde wegen Nötigung zu 5 Monaten Haft verurteilt. Jetzt wurde bekannt, dass er den Berlin-Attentäter gekannt haben soll.

Der sogenannte Sittenwächter von Kaltenleutgeben (Bezirk Mödling) ist am Freitag am Wiener Landesgericht für Strafsachen wegen Nötigung zu fünf Monaten unbedingter Haft verurteilt worden. "Der Sachverhalt hat den Tatbestand erfüllt. Für eine halbnackte Frau, die da herumliegt, war das sicher eine bedrohliche Situation", befand Richterin Julia Matiasch. Das Urteil ist bereits rechtskräftig. Nun wurde bekannt, dass gegen den Sittenwächter auch ein Terror-Verfahren anhängig ist.

Er soll Berlin-Attentäter gekannt haben

Gegen den verurteilten Sittenwächter von Kaltenleutgeben (Bezirk Mödling) ist bei der Staatsanwaltschaft Wien auch ein Terror-Verfahren nach Paragraf 278b Strafgesetzbuch (terroristische Vereinigung) anhängig. Das bestätigte sein Verteidiger Wolfgang Blaschitz am Freitagnachmittag der APA. Der 24-jährige Russe soll Anis Amri, den Attentäter auf den Berliner Weihnachtsmarkt, gekannt haben.

Ehe er nach Österreich kam, hielt sich der Russe mehrere Jahre in Deutschland auf. Er wurde dort in zwei separaten Verfahren wegen schweren Raubes und schwerer Körperverletzung verurteilt. In Deutschland lernte er den Tunesier Amri kennen, der am 19. Dezember 2016 einen tonnenschweren Sattelzug in eine Besuchermenge an der Berliner Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche lenkte. Elf Besucher des Weihnachtsmarkts und der Lkw-Fahrer, den der Terrorist getötet hatte, um das Steuer übernehmen zu können, kamen ums Leben.

Anis Amri Bekennervideo
© Screenshot/YouTube
× Anis Amri Bekennervideo

Anis Amri raste im Dezember 2016 mit einem Lkw in einen Berliner Weihnachtsmarkt und tötete insgesamt zwölf Menschen.
 

Nichts von Terror-Plänen gewusst

"Von Amris terroristischen Plänen hat mein Mandant nichts gewusst", versicherte Blaschitz der APA. Auch der Verfassungsschutz gehe mittlerweile davon aus, dass der Russe nicht in Amris Vorhaben eingeweiht war und nichts mit dessen Umsetzung zu tun hatte, behauptete der Anwalt.

Bei der Auswertung des Handys des 24-Jährigen wurde allerdings ein Video gefunden, das zumindest auf eine radikalislamistische Gesinnung hindeuten könnte. Der Russe ist darauf beim Absingen von islamisch-religiösen Naschids zu sehen. In der Islamisten-Szene werden Naschids als Propaganda- und Kampflieder genutzt, um für den gewaltsamen Dschihad gegen Ungläubige zu werben.

"Er ist halt sehr gesellig", meinte Blaschitz zum Zustandekommen des Videos. Es wäre "aufgebauscht", den Clip als Gutheißen des bewaffneten Dschihad auszulegen. Der Vorwurf, sein Mandant habe "etwas mit Terrorismus am Hut, ist an den Haaren herbeigezogen", bemerkte der Anwalt abschließend.
 

"Ich bin ein Mann, ich bin schwach"

Der Angeklagte - ein 24 Jahre alter gebürtiger Tschetschene - hatte im Prozess eingeräumt, er sei am 15. Juni 2017 am Glitzersee gegen eine nur spärlich bekleidete Frau und ihren Begleiter verbal vorgegangen: "Ich hab' angefangen, umgangssprachlich zu schimpfen. 'Ich fick dich in den Kopf.' Es war nicht ernst gemeint." Er habe mit mehreren Freunden baden gehen wollen und hätte am Ufer ein Pärchen bemerkt, wobei der Mann seine Begleiterin fotografierte. "Sie hatte bloß eine Unterhose an, die nur hinten einen Faden hatte. Verstehen Sie, was ich meine?", schilderte der Angeklagte der Richterin seine Eindrücke. "Einen Tanga", erwiderte diese. Er habe eigentlich nicht hinsehen wollen, sei aber nicht in der Lage gewesen, sich abzuwenden, offenbarte der Tschetschene: "Ich bin ein Mann, ich bin schwach."

Schließlich hätte er verlangt, die Frau möge sich ein T-Shirt überziehen: "Eh nicht die ganze Hose." Darauf sei es zu einem Disput mit ihrem männlichen Begleiter gekommen. "Warum sind Sie nicht weggegangen?", wollte die Richterin wissen. "Ich lag schon Monate auf diesem Platz", meinte der 24-Jährige. Er habe der Frau keine Angst machen wollen. "Was wollten Sie dann?", hakte die Richterin nach. - "Dass sie weg ging."

"Kleiner Ausrutscher"

Aus Sicht der Anklagebehörde drohte der Tschetschene mit einer Vergewaltigung, sollte sich die Frau nicht bedecken. Er selbst sah das als "kleinen Ausrutscher", wie er in der Verhandlung zu Protokoll gab. Den Fotografen wollte der 24-Jährige laut Strafantrag mit einem Tritt über eine 2,5 Meter hohe Böschung befördern. Davon wurde er allerdings mangels an Beweisen freigesprochen.

Kassier bedroht

In einem weiteren Anklagepunkt, der die Zuständigkeit des Wiener Landesgerichts begründete, wurde der 24-Jährige ebenfalls freigesprochen. Am 9. November 2017 war in einem Wiener Drogerie-Markt eine junge Muslima von einem Ladendetektiv angeblich beschimpft und angegriffen worden. Vier Tage später tauchte der Angeklagte in dem Geschäft auf und versuchte einen Verkäufer dazu zu bringen, ihm den Namen des Detektivs zu nennen. Angeblich fiel die Äußerung "Komm Bruder, gib uns den Namen. Sag uns wer das war, sonst lebst du morgen nicht mehr". In der Verhandlung zeigte sich jedoch, dass der arabischstämmige Verkäufer kaum Deutsch versteht und daher nicht auszuschließen war, dass er den Tschetschenen, der ihn auf Deutsch angesprochen hatte, korrekt wiedergegeben hatte.
 

"Sittenwächter"-Prozess in Wien

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