Geschworene kamen nicht

Küssel: Neonazi- Prozess geplatzt

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Von 22 Geladenen kamen nur sieben Laienrichter ins Wiener Straflandesgericht.

Der Wiederbetätigungs-Prozess gegen Gottfried Küssel (53), der am Montag im Wiener Straflandesgericht eröffnet hätte werden sollen, ist vorerst geplatzt. Von insgesamt 22 zur Verhandlung geladenen Geschworenen-Kandidaten fanden sich lediglich sieben im Grauen Haus ein. Eine gehörig zusammengesetzte Geschworenenbank umfasst acht Laienrichter und eine beliebige Anzahl von Ersatzgeschworenen, die bei mehrtägigen Verhandlungen bei plötzlichem, etwa krankheitsbedingtem Ausfall von Hauptgeschworenen diese ersetzen sollen.

Nach einer halbstündigen Wartezeit sah sich Richterin Martina Krainz gezwungen, das Verfahren auf den 21. Mai zu vertagen. Die weiteren Verhandlungstage sind der 23. und 24. Mai. Wie Krainz erklärte, hatten im Vorfeld von den 22 Kandidaten fünf ihr Fernbleiben avisiert und sich entschuldigt. Zehn kamen ihrer Ladung ohne Angabe von Gründen nicht nach.

"Frustrierend"
"Das ist natürlich frustrierend, wenn man ein größere Verhandlung vorbereitet und diese aufgrund solcher Umstände nicht durchführen kann", bemerkte die Richterin vor dem Gerichtssaal, nachdem die Justizwache Küssel und die beiden mitangeklagten Felix B. (34) und Wilhelm A. (40) wieder abgeführt hatte. Die drei sollen die rechtsextremistische Homepage "alpen-donau.info" sowie das Forum "alinfodo.com" eingerichtet und betrieben haben und damit der einschlägigen Szene ein "Sprachrohr" geboten haben.

Über die Gründe für das ungewöhnlich massive Ausbleiben der Laienrichter, die nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers bei politischen Prozessen neben drei Berufsrichtern das Volk vertreten und über die Schuldfrage mitentscheiden sollen, lässt sich nur spekulieren. Fest steht, dass bei Schwurprozessen der Name der Angeklagten grundsätzlich auf den Ladungen aufscheint, wie Gerichtssprecher Christian Gneist erklärte. Es wäre somit denkbar, dass der eine oder andere Kandidat bewusst nicht am Prozess gegen eine zentrale Leitfigur der heimischen rechtsextremen Szene - Küssel war bereits 1994 nach dem Verbotsgesetz zu einer elfjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden - teilnehmen wollte.

Tumulte vor dem Saal
Diskussionen unter den anwesenden Medienvertretern lösten auch tumultartige Szenen aus, die sich vor und im Saal 106 abspielten. Nachdem sich die Richter und der Staatsanwalt in den Saal begeben hatten, wurde die Tür bis zum offiziellen Verhandlungsbeginn um 9.30 Uhr von innen abgeschlossen. Dies führte dazu, dass die Justizwache die davor wartenden Journalisten und Zuseher recht unsanft beiseite drängte, als die Angeklagten aus der U-Haft vorgeführt wurden. Da die Tür verschlossen blieb, waren die Angeklagten plötzlich in einem hin-und herwogenden Pulk aus Wachpersonal, Kameramännern, Fotografen und interessierten Zuhörern eingekesselt.

Als die Saaltür aufging, durfte man unter dem wachsamen Auge von Vertretern des Wiener Landesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT) eintreten. "Wer mir als erster reingeht, geht als letzter raus", verkündete ein Staatsschützer. Wer es geschafft hatte, einen Sitzplatz zu ergattern und als Besitzer eines Mobiltelefons erkennbar war, wurde anschließend ermahnt, das Gerät abzuschalten und die Verhandlung nicht zu stören, wobei zu diesem Zeitpunkt längst klar, war, dass diese nicht stattfinden würde.
 

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