Attacke vom Ex-Kanzler

Kern über Koalition: 'Kurz wollte nicht'

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SPÖ-Chef will ÖVP-Kurz Koalitionsvarianten angeboten haben, doch dieser hätte kein Interesse gehabt.

Der SPÖ-Vorsitzende Christian Kern ist nach der Wahl zu einem schwarz-roten Regierungsbündnis unter ÖVP-Chef Sebastian Kurz bereit gewesen. Das erklärte er in einem gemeinsamen Interview mit der designierten SPD-Chefin Andra Nahles in der "Presse am Sonntag". "Mein wichtigstes Ziel war es, Schwarz-Blau zu verhindern", so Kern. Deshalb habe er Kurz unterschiedliche Koalitionsvarianten angeboten.

Dieser sei jedoch nicht daran interessiert gewesen, sagte Kern. Kurz hatte hingegen bisher stets erklärt, dass Kern als Vizekanzler nicht zur Verfügung gestanden und eine Große Koalition deshalb sehr schnell vom Tisch gewesen sei.
 

Kern: "Man hätte jemanden gefunden"

"Das ist falsch. Die SPÖ hat eine große Personaldecke. Also man hätte da jemand gefunden", sagte Kern. Auch die designierte SPD-Chefin Nahles äußerte sich in dem Interview zur schwarz-blauen Regierungsbildung in Österreich: "Also das konnte man als deutsche Beobachterin aus allen Poren quillen sehen, dass Kurz die Rechtsallianz unbedingt wollte."

Nach Ansicht des SPÖ-Chefs Kern werden die "Konservativen, die auf den neoliberalen Staat und die unsichtbare Hand setzen, scheitern und die Ungleichheit dramatisch erhöhen". Auf Herausforderungen der Globalisierung und des digitalen Kapitalismus könne man nur sozialdemokratisch und europäisch antworten, erklärte er.

Den Anspruch aufzugeben, Volkspartei zu sein, halte er für "den größten Fehler", den sozialdemokratische Parteien machen können. Bei den Landtagswahlen in Kärnten habe die SPÖ gezeigt, dass dies möglich sei.
 

Kern sieht SPÖ als unangefochten

Den Mitte-links-Kurs zu halten und die Alternative in diesem Spektrum zu repräsentieren, sehe er als "strategisches Ziel", sagte Kern. "Wir sind dabei in Österreich in der glücklichen Situation, dass wir links neben uns niemanden haben", so der SPÖ-Chef. Durch das Verschwinden der Grünen sieht er seine Partei als "noch unangefochtener als vorher" an.

Nahles sieht das als "sehr gute Ausgangsposition" für die SPÖ an. "Diese Situation haben wir nicht in Deutschland: Die Grünen und die Linkspartei sind relativ stark", sagte sie und dämpfte auch die Erwartungen an ihre für den 22. April geplante Wahl zur Parteichefin: "Messianische Erweckung wird man mit (Vizekanzler) Olaf Scholz und Andrea Nahles nicht erleben." Sie spielte damit auf den zurückgetretenen SPD-Chef Martin Schulz an, der vor einem Jahr mit 100 Prozent der Delegiertenstimmen gewählt worden war.

"Der ganze Vorstand hat diese 100 Prozent damals genau wie Martin Schulz selbst eher als Belastung empfunden, da sie Erwartungen schürte, die niemand zu erfüllen vermag", sagte Nahles. "Bei mir wird es das nicht geben, das ist schon jetzt klar. Ich erwarte ein solides Ergebnis, das ist dann ehrlich und in Ordnung."
 

Nahles räumt Fehler im SPD-Wahlkampf ein

Nahles räumte auch schwere Fehler im Wahlkampf der SPD ein. "Als wir mit dem Slogan 'Mehr Zeit für Gerechtigkeit' kamen, redeten wir an den Leuten vorbei. Denn der Verteilungskonflikt zwischen Arbeit und Kapital war schon umgedeutet in einen Konflikt zwischen ethnischen Gruppen", sagte sie in Anspielung auf die Migrationsdebatte.

Die SPD habe zwar eine gute Bilanz nach den vergangenen vier schwarz-roten Jahren vorlegen können: "Im Grunde wollen die Leute aber vertrauen, dass du die richtigen Antworten auf die Zukunft hast. Und da waren wir im Wahlkampf zu schmalspurmäßig unterwegs gewesen."
 

Nahles mit Kritik an Gabriel

Nahles übte auch indirekt scharfe Kritik an Sigmar Gabriel. Der Ex-SPD-Chef hatte seiner Partei zuletzt vorgeworfen, zu liberal und zu grün und zu wenig rot zu sein. "Erste Regel: Wir reden nicht mehr schlecht über die sozialdemokratischen Parteien, in denen wir Mitglied sind", sagte Nahles. "Ich kann es überhaupt nicht leiden, wenn Fraktions- oder Parteivorsitzende auf ihre eigene Partei blicken, als säßen sie vor einem Mikroskop, um von oben durchs Okular zu schauen und festzustellen, was da unten so läuft."

Die SPD neige zu "Apokalypsen" über sich selbst: "Das ist nicht hilfreich." Nahles rief zu einem "Perspektivenwechsel" auf: "Bei uns gibt es so eine Grundhaltung 'Früher waren wir irgendwie besser.' Ich sage: Packen wir es an! Ich bin in eine progressive Partei eingetreten, nicht in eine konservative."

Die designierte SPD-Chefin äußerte sich auch zum Zustand des Koalitionspartners. "Meine Beobachtung ist, dass die CDU gerade vor einer Zerreißprobe steht", sagte Nahles. "Auch die Tatsache, dass Frau Merkel einen ihrer härtesten Gegner ins Kabinett genommen hat, spricht dafür", so Nahles mit Blick auf den neuen Gesundheitsminister Jens Spahn. Viele CDU-Politiker würden einen deutlichen Rechtsruck wollen.
 

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