Neue Studie

Österreicher haben kein Interesse an Politik

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Rund zwei Drittel sind unzufrieden mit der Arbeit des Nationalrats.

Das Interesse der Österreicher an Politik ist "dramatisch niedrig", nur ein Drittel ist zufrieden mit der Arbeit des Nationalrates - und 80 Prozent wünschen sich den Ausbau der direkten Demokratie. Das sind die Ergebnisse einer Studie über "Direkte Demokratie in Österreich" der Studiengruppe International Vergleichende Sozialforschung (Uni Graz) und des IFES, die am Montag in Wien präsentiert wurde.

2.000 Österreicher wurden zwischen August und September 2012 "face to face" befragt. Die letzte vergleichbare Studie - die Parlamentarismusstudie - gab es 2004, berichtete IFES-Projektleiter Gert Feistritzer.

Der Vergleich zeigt, dass sich das Interesse an der Politik weiter verschlechtert hat - und jetzt, so Studiengruppen-Leiter Max Haller, "dramatisch niedrig" ist. Nur 19 Prozent sind politisch interessiert, 48 Prozent halten sich "so ungefähr auf dem Laufenden" und 33 Prozent kümmern sich so gut wie gar nicht darum. Von den unter 30-Jährigen ist sogar die Hälfte komplett desinteressiert. 2004 waren noch 26 Prozent interessiert, 55 Prozent "so ungefähr" und nur 19 Prozent uninteressiert.

Ebenso verschlechtert hat sich das Image des Nationalrates: 2004 hatten noch 45 Prozent einen (eher) guten Eindruck von dessen Arbeit, jetzt nur mehr 35 Prozent. Für zehn Prozent arbeitet der Nationalrat "ganz schlecht", für 43 Prozent "eher schlecht".

Entsprechend sind auch nur 30 Prozent (eher) zufrieden damit, wie die gewählten Volksvertreter die Interessen der Bevölkerung vertreten. Und insgesamt ist nur eine knappe Mehrheit (55 Prozent) alles in allem zufrieden mit dem Funktionieren der Demokratie insgesamt.

Gegen diese "höchst problematische Entwicklung" könnte der Ausbau der direkten Demokratie helfen - meinten nicht nur die Studienautoren, sondern auch die Mehrheit der Befragten. Fast 80 Prozent sind dafür (31 Prozent "sehr", 48 "eher schon"), am stärksten die 30- bis 44-Jährigen - und die Anhänger von FPÖ und BZÖ -, die "auch die Unzufriedensten" sind.

Von den bestehenden Formen wird die verbindliche Volksabstimmung als beste Möglichkeit der Mitbestimmung erachtet (74 Prozent), aber auch Volksbegehren und Volksbefragung werden mehrheitlich als "echte Gelegenheit zur Mitentscheidung" gesehen. Recht hoch ist die Bereitschaft, sich zu beteiligen: Knapp die Hälfte würde bei einer Volksentscheidung mitmachen, fast 40 Prozent an Volksbefragung oder -begehren - und nochmals jeweils rund 40 Prozent "teilweise", abhängig vom Thema. Interessant ist, so Haller, dass die "politisch vielfach absenten Jüngeren" die größte Teilnahmebereitschaft zeigten.

Auf große Zustimmung stößt das "Schweizer Modell" einer von Bürgern eingeleiteten Volksabstimmung, die automatisch zum Gesetz wird. 25 Prozent sind sehr dafür, 47 Prozent eher schon. Vorteile brächte der Ausbau der direkten Demokratie nach Meinung der Befragten vor allem der Bevölkerung insgesamt (60 Prozent) bzw. den mittleren und ärmeren sozialen Schichten. Fast drei Viertel sind überzeugt, dass damit Interesse und die Zufriedenheit mit der Politik gesteigert würden.

Die Studie beschäftigte sich auch mit den oft vorgebrachten Gegenargumenten, dass sich manche Themen nicht für Volksentscheide eignen. Es zeigte sich auch eine "durchaus differenzierte" Haltung: Die Mehrheit würde nicht über Todesstrafe oder Abtreibungsverbot abstimmen lassen. Über den Austritt aus der EU hätten zwar 57 Prozent gerne eine Abstimmung, aber 62 Prozent würden dagegen stimmen. Über die sofortige Abschiebung krimineller Ausländer hätten 68 Prozent gerne ein Votum - und 73 Prozent würden dafür stimmen.

Die aktuelle Volksbefragung über die Wehrpflicht begrüßte Haller zwar prinzipiell - aber nur nach dem Motto "besser als nichts". Denn ihm missfällt einerseits, dass die zwei Fragen nach Wehrpflicht und Zivildienst in eine gepackt wurden - und andererseits dass das Votum als "Spielball der Parteipolitik" genützt und die Bevölkerung nicht wirklich ausgewogen informiert werde. Die Wissenschafter gehen aber davon aus, dass die Beteiligung recht hoch sein wird. "Jedenfalls über 50 Prozent", schätzt Feistritzer.

Noch höher wäre die Beteiligung an einer verbindlichen Volksabstimmung, merkte Johannes Pichler, der Direktor des Österreichischen Instituts für Rechtspolitik, an - der auch kritisierte, dass sich die Regierungsparteien dazu nicht durchringen konnten. Wie die Studie zeige, mache es "einen Unterschied, ob man das Volk nur befragt oder entscheiden lässt".
 

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