ÖSTERREICH-Interview

Sabine Oberhauser: "Ich will leben!"

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Sie hat es geschafft: Die Ministerin ist nach ihrer Krebs-OP zurück.

Sie lächelt. Wie immer. Sabine Oberhauser (51) lässt sich das Lachen nicht nehmen. Auch wenn sie in den vergangenen Monaten oft geweint hat, wie sie im Interview mit ÖSTERREICH am SONNTAG sagt. Anfang Februar wurde die Gesundheitsministerin mit der Diagnose Krebs konfrontiert. Es folgte die Chemotherapie und vor einem Monat eine schwierige Operation. Jetzt ist die Ministerin zurück im Polit-Job und spricht offen über ihre Erkrankung.

"Es wird jeden Tag 
ein bisschen besser"

Leise
Anfang der Woche war Oberhauser erstmals wieder in ihrem Büro. Im Interview spricht sie mit leiser Stimme. Denn die Rückkehr strengt sie mehr an, als sie dachte: „Doch es wird jeden Tag ein bisschen besser.“ Das Auf und Ab der vergangenen Wochen, das Erkennen, dass der Geist und der Wille nicht Berge versetzen können, habe ihr in den vergangenen Wochen am meisten zu schaffen gemacht, spricht die Minis­terin offen über ihre schwere Zeit. An die Momente, als sie mit der Dia­gnose konfrontiert wurde, kann sie sich quasi nicht mehr erinnern: „Ich weiß auch nicht mehr, wen ich zuerst angerufen habe.“ Von einer Sekunde auf die ­andere sei ihr Leben einfach komplett auf den Kopf gestellt worden.

Kraft
Oberhauser, die durch ihren offenen Umgang mit der Krankheit vielen Mut macht, erzählt aber auch, dass sie nicht immer die starke, lächelnde Frau ist. „Natürlich weine ich auch. Mein Mann kennt diese Seite von mir.“ Doch sie gibt nicht auf, denn: „Ich will leben.“ Und ab sofort will sie sich wieder voll ihrem Job widmen. Mit ganzer Kraft.

Sabine Oberhauser:
© Facebook

Seit 30 Jahren ist Oberhauser mit Ehemann Gerold glücklich.

 

Das Interview mit ÖSTERREICH:

 

 

ÖSTERREICH: Wie anstrengend war Ihre erste Arbeitswoche nach der Krebs-Operation für Sie?

Sabine Oberhauser: Ich habe mir den Einstieg leichter vorgestellt. Am schwierigsten war der Montag, da war ich nur kurz im Büro. Am Dienstag waren es dann sechs Stunden mit Ministerrat. Danach habe ich schon gemerkt, dass ich wieder Ruhe brauche. Aber es geht jeden Tag ein bisschen länger, wird jeden Tag ein bisschen besser.

ÖSTERREICH: Blicken wir zurück. Wie sehr bricht eine Welt zusammen, wenn man die Diagnose Krebs bekommt?

Oberhauser: Das Leben ist von einer Sekunde auf die andere komplett anders. Ich habe mich früher oft gefragt, wenn Freunde von Krebsdiagnosen betroffen waren, wie ich damit umgehen könnte. Wie die Situation jetzt bei mir genau war, daran fehlt mir komplett die Erinnerung. Ich weiß auch nicht mehr, wen ich zuerst angerufen habe. Die Situation überfällt einen. Aber es ist dann, wie es ist, und man muss damit umgehen. Man darf nicht nachdenken: Was hätte ich anders gemacht? Oder: Was habe ich falsch gemacht? Nein, man muss denken: Was mache ich jetzt, damit es möglichst rasch wieder gut wird?

ÖSTERREICH: Ihr Mann ist Ihnen die ganze Zeit eng beigestanden. Das haben auch Ihre Fotos auf Facebook gezeigt. Wie wichtig war und ist für Sie diese Stütze?

Oberhauser: Wir sind heuer seit 30 Jahren zusammen. In dem Jahr, als wir uns kennengelernt ­haben, in unserem ersten Urlaub, hatte ich in der Türkei einen Feuerunfall. Er hat mich also vor 30 Jahren monatelang gesund gepflegt, weil ich damals schwere Verbrennungen hatte. Jetzt hat er zu ­meiner Genesung wieder einen großen Beitrag ­geleistet. Er war faktisch immer da, ist meine große Stütze.

ÖSTERREICH: Mit Ihrem ­offenen Umgang mit der Krankheit sind Sie wiederum eine Stütze für viele. Wie schwer fällt es Ihnen dann, über alles so offen zu reden?

oberhauser: Ich bekomme mit, dass ich für viele Motivatorin bin. Es kommen viele sehr persönliche Nachrichten von Menschen, die mir berichten, dass sie selbst krank sind. Manchen geht es nicht so gut wie mir, weil ihre Krankheit fortschreitet. Frauen schreiben mich an, dass sie die Chemotherapie nicht machen, weil sie Angst davor haben, dass ihnen die Haare ausgehen. Ich beantworte alle diese E-Mails. Man muss eben versuchen, in der eigenen schwierigen Situation Trost zu geben. Das ist nicht immer einfach. Aber es kommt viel zurück – es ist ein Geben und Nehmen und ich bin dankbar, dass es so ist.

ÖSTERREICH: Woher nehmen Sie diese Kraft?

Oberhauser: Ich will leben. Und so muss man eben versuchen, aus sich selbst, aus der Familie, aus dem Alltag zu schöpfen. Man muss versuchen, alle Kräfte, die man hat, zu ­mobilisieren. Das mache ich gerade.

ÖSTERREICH: Und wie gelingt das stets mit einem ­Lächeln im Gesicht?

Oberhauser: Ich habe immer gesagt: Das Lachen lasse ich mir nicht nehmen. Natürlich weine ich auch. Mein Mann kennt mich von dieser anderen Seite, wenn ich verzweifelt bin, wenn man Nebenwirkungen spürt. Aber im ­Alltag denke ich mir: Es kostet das Gleiche, ob man freundlich oder unfreundlich ist im Umgang mit Menschen. Also habe ich immer versucht, freundlich zu sein.

ÖSTERREICH: Was waren denn die schwierigsten ­Momente der vergangenen Monate für Sie?

Oberhauser: Das war, zu akzeptieren, dass der Kopf und der Wille nicht alles steuern können. Die Operation war lang und wirklich groß. Ich wollte das vorher nicht hören, und ­alle haben mir gesagt, ­alles wird viel länger dauern, als ich gerechnet habe. Die Zeit im Spital war keine einfache, denn der postoperative Verlauf war nicht ganz so, wie ich es mir gewünscht habe. Damit zurechtzukommen war schwierig. Nach der Operation hatte ich dann das Gefühl, es geht aufwärts, aber dann kam die nächste Chemotherapie, und ich habe gemerkt, wie die Kräfte wieder versiegen, wie das Gehen wieder schwierig wird. Mit dem Auf und Ab umgehen zu lernen, das ist schwer.

ÖSTERREICH: Wie sehr von Vorteil ist es denn in so einer Situation, wenn man selbst Arzt ist?

Oberhauser: Manchmal denke ich mir, es ist schwieriger, weil man viel mehr weiß. Als mir die Operation erklärt wurde, habe ich die Bilder alle vor mir gesehen und wusste, was auf mich zukommt. Ich habe mir schon Wochen vor dem Eingriff Gedanken gemacht, was alles passieren könnte – obwohl ich natürlich ein Grundvertrauen in die Medizin habe. Man hat einfach mehr Angst.

ÖSTERREICH: Was waren zuletzt Ihre schönsten ­Momente?

Oberhauser: Wieder zu Hause zu sein. Das Schönste war, im Auto zu sitzen, nach Hause zu fahren und auf die Couch zu fallen. Und obwohl ich mich auch gefürchtet habe, ob ich es schaffe, war es schön, darauf hinzuarbeiten, wieder ins Büro zu gehen. Das schnelle Zurück in die Arbeit ist aber meine per­sönliche Entscheidung. ­Dadurch soll keinesfalls Druck auf andere ausgeübt werden. Ich bin mit einem Büro im Hintergrund in einer anderen Situation als die meisten Arbeitnehmer. Zuletzt haben die Besprechungen mit meinen Mitarbeitern ja bei mir am Küchentisch stattgefunden.

ÖSTERREICH: Haben Sie nie daran gedacht, sich ein halbes Jahr Auszeit zu nehmen?

Oberhauser: Nein, denn ich glaube, zu Hause wäre ich zu sehr ins Grübeln ­gekommen. Ich bin dazu bestellt worden, in der ­Gesundheitspolitik etwas weiterzubringen. Ich will mein Amt ausfüllen!

ÖSTERREICH: Meilenstein ist dabei sicher das Rauchergesetz. Wie erstaunt waren Sie über Kritik?

Oberhauser: Ich war froh, dass es uns gelungen ist, das Gesetz einen Tag bevor ich ins Spital gegangen bin, zu präsentieren. Klar, dass es Bedenken gab, das ist wie bei jedem Begutachtungsentwurf. Jetzt geht es darum, es vor dem Sommer in die Zielgerade zu bringen. Danach gibt es bereits viele Themen – vom Gesundheits- und Krankenpflegegesetz bis hin zur Stärkung der Primärversorgung, der ich mich intensiv annehme. Ich habe noch genug zu tun!

ÖSTERREICH: Und was sind privat Ihre nächsten Ziele?

Oberhauser: Ich freue mich darauf, wenn Mitte Juni die Chemotherapie vorbei ist. Darauf arbeite ich hin. Im Sommer sind dann zehn Tage Urlaub in Kärnten auf der Turracher Höhe geplant. Da heißt es dann: Füße hoch und Kraft tanken!

 

Interview: Iris Brüggler

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