Athen

"Wir sind stolz auf unser Nein"

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Die Griechen jubeln – ÖSTERREICH-Reporter Karl Wendl berichtet direkt aus Athen:

Der Tag nach der Wahl, ich stehe vor dem ­Finanzministerium gleich hinter dem zentralen Syntagma-Platz. Die ganze Nacht über haben Tausende „Nein“-Sager euphorisch in Athen ihre Ablehnung des Sparpakets gefeiert. Die ganze Stadt ein Volksfest. Hupkonzerte, Fahnenmeer, Jubelstimmung.

Jetzt warten Hunderte vor dem Finanzministerium. Sie wollen Ex-Minister Yanis Varoufakis (54) sehen, ihren „Helden“: „Er hat es den EU-Terroristen gezeigt, wir sind stolz auf unser Nein“, sagt Anastasia Panov (24), eine Russisch-Lehrerin: „Schade, dass er jetzt aufgibt, zurückgetreten ist.“

Varoufakis rast auf dem Bike in seine Polit-Pension
Um 15 Uhr verlässt Varoufakis das Ministerium. Jubel brandet auf: „Yanis, Yanis“, rufen die Menschen. Der Ex-Finanzchef drängt sich durch die Massen. Jeder will ihn berühren, ihm gratulieren. Er lächelt, an der Hand hat er seine hübsche Frau, eine Künstlerin. Dann schwingen sich die beiden auf ein Motorrad, Varoufakis rauscht ab – in die Politpension. Er mit schwarzem Helm, sie ohne. Ein Macho halt.

24 Stunden nach dem überzeugenden „Nein“ ist Griechenland gespalten: Zwischen jenen, die nun Angst vor der Zukunft haben, und denen, für die der Sieg der „Nein“-Sager der ultimative Triumph ist.

George Papas (31) stimmte mit Ja. Er ist Chef einer Werbeagentur, sagt: „Die Sparauflagen zu erfüllen, ist der einzige Weg, in der EU zu bleiben. Jetzt steht es 50 zu 50, dass der Grexit und somit der Absturz kommt.“ Gänzlich anders Michael Drouviotis (58), ein Pensionist: „Das Nein gibt uns die Chance, neu zu verhandeln. Jeder spricht stets von den Milliarden, die wir bekommen haben sollen – ich habe davon nichts gesehen.“ Und: „Ich will in der EU bleiben, den Euro behalten, aber mit dem Diktat aus Brüssel muss endlich Schluss sein.“

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