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Das größte ORF-Sparpaket aller Zeiten kommt

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Den Rundfunk erwarten Nulllohnrunden, Personalabbau, Einsparungen in Programm und Technik, sowie ein neuer Kollektivvertrag.

Die finanzielle Lage des ORF ist offenbar dramatischer als bisher bekannt, das notwendige ausgabenseitige Sparpaket dürfte deshalb größer ausfallen als erwartet. Dies geht aus der nun vorliegenden mittelfristigen Finanzvorschau des Unternehmens hervor. Demnach wächst die Ergebnislücke des Senders bis 2010 ohne Maßnahmen auf minus 127 Millionen Euro. "Grund dafür ist, dass gravierende Umfeldveränderungen in den letzten zehn Jahren dazu geführt haben, dass der ORF derzeit bei gleichbleibendem Leistungsumfang strukturell unterfinanziert ist", heißt es in dem knapp 40-seitigen Papier.

Höhere Gebühren alleine können ORF nicht retten
Der ORF ist "an einem Punkt angelangt, an dem ohne drastische Eingriffe in den Leistungsumfang eine rein auf Kostenreduktionsmaßnahmen basierende Strategie die künftige Entwicklung des Unternehmens gefährdet". Diese "strukturelle Unterfinanzierung" wird auch durch die geplante Erhöhung der ORF-Gebühren, die am Donnerstag vom ORF-Stiftungsrat beschlossen werden soll, nicht kompensiert, weshalb die ORF-Führung "weitere wesentliche Kostensenkungen" als unabdingbar ansieht.

Nulllohnrunde für 2008
Erste konkrete Maßnahme ist dabei eine Nulllohnrunde für das Jahr 2008. ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz beharrt offenbar auf einem wesentlichen Sparbeitrag durch das ORF-Personal. Bei den mächtigen ORF-Betriebsräten stößt dieser Plan bisher allerdings auf erbitterten Widerstand. Die "Strukturmaßnahme" Nulllohnrunde würde 2008 Einsparungen von 10,5 Mio. Euro bringen und in den Folgejahren mit 7,0 beziehungsweise 7,2 Mio. Euro fortwirken. Sollten sich die Betriebsräte gegen die Pläne der ORF-Geschäftsführung durchsetzen, dann würden 2008 bei einer angenommenen KV-Erhöhung von etwa 2,5 Prozent die Hälfte der Gebührenerhöhung gleich in höhere Gehälter für ORF-Mitarbeiter fließen, 2009 und 2010 jeweils ein Viertel. Eine Nulllohnrunde gab es im ORF bisher erst einmal - Mitte der 90er Jahre schaffte Gerhard Zeiler ein Aussetzen der jährlichen Lohnrunde.

Personaleinsparungen geplant
Neben dem Entfall der Gehaltserhöhungen will die ORF-Führung laut Finanzvorschau auch ein massives "Personaleinsparungsprogramm" durchsetzen. Innerhalb von drei Jahren soll der Personalstand um 7,5 Prozent reduziert werden, die ORF-Programme sollen davon unberührt bleiben. 250 Planposten bzw. "Vollzeitäquivalente", wie es im ORF-Jargon heißt, sind davon betroffen. Umgesetzt werden sollen diese Personaleinsparungen durch die Nichtnachbesetzung von freiwerdenden Arbeitsplätzen. Einsparungspotenzial im Jahr 2009: zusätzliche 6,7 Mio. Euro, im Jahr 2010 voraussichtlich 13,5 Mio.

Überprüfung aller Großverträge
Im Programmbereich werden "alle Großverträge auf ihre Kosten/Nutzen-Relation geprüft". Bis 2010 will der ORF Lizenzverträge mit Hollywood und für Sportgroßereignisse neuordnen bzw. auch kündigen, was Einsparungen in Höhe von 7,0 Mio. Euro bringen soll. Im Fernsehen und in der Technik soll weiters die "Produktionseffizienz" überprüft werden. Die Rede ist von "Einsparungen durch die Straffung von Workflows". Aus den 70er und 80er Jahren stammende "Arbeitsbilder", die durch den technologischen und digitalen Fortschritt längst überholt sind, sollen angepasst, bestehende "Betriebskonzepte" und "historisch gewachsene Redaktionsstrukturen" überprüft und optimiert werden.

Kommt ein neuer Kollektivvertrag?
Darüber hinaus will die ORF-Geschäftsführung den erst 2003 überarbeiteten Kollektivvertrag, der schon damals Personalkosteneinsparungen brachte, neu verhandeln. Angestrebt werden "Anpassungen in den Laufbahnen und Einstiegsgehältern", eine "kostenneutrale Einführung von Leistungskomponenten sowie die punktuell notwendige Anpassung der Löhne und Gehälter an das Marktniveau", wie es heißt. Der Personalaufwand würde sich aufgrund dieser Maßnahmen von ursprünglich geplanten 374,1 auf 363,6 Mio. Euro im Jahr 2008 reduzieren und danach bis 2010 auf annähernd konstantem Niveau bleiben.

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In Summe plant der ORF 2008 bis 2010 Einsparungen in Höhe von knapp 120 Mio. Euro. Notwendig erscheinen diese Maßnahmen, weil aufgrund des Wettbewerbs vor allem bei den Werbeeinnahmen mit einem "beschleunigten Rückgang" zu rechnen ist. In der Finanzvorschau bis 2010 werden gegenüber 2007 Werbeerlösabgänge von rund 44 Mio. Euro erwartet (von 300 Mio. auf 256 Mio.). Die Gebührenerlöse würden im Falle einer Anhebung von 472 Mio. im Jahr 2007 bis 2010 auf 533 Mio. steigen. 2008 brächte eine solche Gebührenerhöhung 23,6 Mio., in den Folgejahren 41 Mio. Euro in die ORF-Kassen.

Konzept zur "langfristigen Zukunftssicherung" in Vorbereitung
Kommen alle Maßnahmen wie von der ORF-Führung geplant, würde das Konzernergebnis 2008 von ursprünglich minus 36,5 auf minus 17,4 Mio. Euro gesenkt. 2009 würde der ORF ein ausgeglichenes Ergebnis (plus 0,2 Mio.) erzielen, ehe der Sender 2010 wegen zusätzlicher sportlicher Sonderereignisse (die Fußball-WM in Südafrika und Olympische Winterspiele in Kanada schlagen sich mit einem voraussichtlichen Kostenvolumen von rund 25 Mio. Euro nieder) und einer Nationalratswahl wieder mit einem negativen Konzern-EGT von minus 15 Mio. Euro abschließen würde.

Neue Gesamtstrategie
Um die"langfristige Zukunftssicherung" des ORF zu gewähren, plant die ORF-Führung deshalb auch die "Erarbeitung einer neuen Gesamtstrategie und eine darauf aufbauende neue Gesamtstruktur des Unternehmens". In der Finanzvorschau ist von einem "Strategie- und Strukturkonzept 2015" die Rede. Eckpunkte dieses Projekts wollen ORF-Chef Alexander Wrabetz und sein Direktorenteam bereits in der kommenden Stiftungsratssitzung darstellen. Bei einer Stiftungsratsklausur am 2. Februar soll dieses Strukturkonzept vertieft diskutiert werden, bis spätestens Ende 2008 soll es stehen.

Harte Lohnverhandlungen
Die kommende Woche mit einer Sitzung des Finanzausschusses des ORF-Stiftungsrats am Montag, finalen Lohnrunden mit den Betriebsräten und der Sitzung des Stiftungsrats am Donnerstag dürfte für die ORF-Geschäftsführung zu einer harten Bewährungs- und Machtprobe werden. Der ÖVP-"Freundeskreis" im obersten ORF-Aufsichtsgremium hatte zuletzt wiederholt seine Ablehnung für die Gebühren- und Budgetpläne kundgetan, die Betriebsräte Widerstand gegen das Budget anklingen lassen. Zustimmung für den ORF-Finanzplan signalisierten SPÖ-nahe sowie unabhängige Stiftungsräte.

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