Die Industrie strebt vor der Metaller-Lohnrunde Ende September einen Abschluss unter der Inflationsrate an.
Wegen der hohen Inflation und der unsicheren Wirtschaftslage stehen die Metaller-KV-Verhandlungen heuer unter "besonders schwierigen Vorzeichen", hieß es am Donnerstag von der Arbeitgeberseite. "Wir können nur verteilen, was wir erwirtschaften", sagte der Obmann der Metalltechnischen Industrie in der Wirtschaftskammer, Christian Knill. "Unsere Aufgabe ist nicht, die Kaufkraft in Österreich zu gewährleisten."
Gewerkschafter sind empört
Bei den Gewerkschaftern stieß Knill damit auf Unverständnis. "Bisher war es gute Tradition, dass auch die Arbeitgeberseite ihre soziale Verantwortung wahrnimmt. Anscheinend will Christian Knill diesen Pfad verlassen", so die Cheferhandler der Arbeitnehmerseite für den Metaller-KV, Reinhold Binder (Gewerkschaft PRO-GE) und Karl Dürtscher (Gewerkschaft GPA) in einer Aussendung. Ein Abschluss unter der Inflation ist für die Gewerkschafter ein rotes Tuch. "Auch dieses Jahr sind wir nicht bereit, die Spielregeln zum Nachteil der Beschäftigten zu ändern. Die Verhandlungsgrundlage bleibt für uns die durchschnittliche Inflation der letzten zwölf Monate."
Streiks wahrscheinlich
Damit wächst aber auch die Wahrscheinlichkeit eines Arbeitskampfes: Intern rechnet ohnehin kaum noch wer, dass es zu einem Lohnabschluss ohne Streik kommen wird.
Ausweg kürzere Arbeitszeiten?
Wifo-Lohnexperte Benjamin Bittschi sprach im Ö1-"Mittagsjournal" von einem "Dilemma". So seien die hohen Lohnforderungen aufgrund der hohen Inflation ebenso gerechtfertigt wie die Darstellung der Arbeitgeberseite über die schlechte Wirtschaftslage in der Branche. Da der Inflationsdruck im kommenden Jahr nachlassen dürfte, könnte auch ein Abschluss unter der rollierenden Inflation Reallohngewinne für die Beschäftigten ermöglichen, so Bittschi. Einen solchen Kompromiss werde sich die Gewerkschaft aber nur teuer abkaufen lassen, etwa im Gegenzug für Arbeitszeitverkürzungen.
Start am 25. September
Startschuss für die Verhandlungen der Metalltechnischen Industrie ist der 25. September. Traditionell wird die Jahresinflation der vorangegangenen zwölf Monate als Messlatte herangezogen. Die durchschnittliche Inflationsrate für den Zeitraum September 2022 bis August 2023 belief sich auf 9,6 Prozent. Neben der Inflation feilscht die Gewerkschaft in der Regel auch um den Produktivitätszuwachs, der an die Beschäftigten weitergegeben werden soll.
Arbeitgebervertreter Knill dämpfte bereits vor Verhandlungsbeginn die Erwartungen. Wie viele Wirtschaftszweige kämpfe auch die Metalltechnische Industrie mit steigenden Kosten für Material, Personal und Energie. Im ersten Halbjahr 2023 habe die Branche einen Produktionswert von 24,8 Mrd. Euro erreicht, was preisbereinigt einem Rückgang von 5,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspreche. Die Auftragseingänge seien im gleichen Zeitraum um 18 Prozent eingebrochen. Für das Gesamtjahr werde ein Produktionsrückgang von rund 6 Prozent erwartet. Zudem rechne fast jedes dritte Unternehmen mit einem negativen Ergebnis (EBIT). Deshalb wollte der Arbeitgeberverhandler auch nicht die Abgeltung der Inflation zusagen.
"Bei den heurigen Lohnverhandlungen gibt es nur wenig Spielraum, wir müssen schauen, dass wir neue Lösungen finden. Die bisherigen Formeln haben bei der hohen Inflation keine Zukunft", so der Arbeitgebervertreter. Mit konkreten Vorschlägen hielt sich Knill allerdings zurück, er wolle den Verhandlungen mit der Gewerkschaft nicht vorgreifen. Oberstes Ziel müsse jedenfalls die Sicherung der Arbeitsplätze bleiben. In der Metalltechnischen Industrie sind rund 137.000 Menschen beschäftigt.