Im Juli ist die Arbeitslosigkeit weiterhin gesunken. Derzeit sind 34.000 Menschen ohne Job und somit nur mehr rund 10.000 Arbeitslose mehr als vor der Krise. Arbeitsminister Kocher spricht von einer "atemberaubenden Dynamik".
Die Erholung am österreichischen Arbeitsmarkt setzt sich fort: Ende Juli waren rund 344.000 Menschen ohne Job, um rund 16.000 weniger als vor einem Monat. 282.685 Personen waren beim Arbeitsmarktservice (AMS) arbeitslos gemeldet, um 6.177 weniger als im Vormonat.
Lag auf 2018-Niveau
Auch die Anzahl der Schulungsteilnehmer ging um rund 10.000 auf 61.254 zurück. Damit gebe es jetzt nur noch um 10.900 Arbeitslose mehr als vor der Krise, teilte das Arbeitsministerium am Montag mit.
Im Vorjahresvergleich ging die Arbeitslosigkeit um 101.266 zurück und lag im Juli auf dem Niveau von 2018. Die Arbeitslosenquote betrug 6,7 Prozent und bewegte sich damit nur noch knapp über der Marke vom Juli 2019 mit 6,5 Prozent.
In Kärnten und in Niederösterreich waren die Arbeitslosenzahlen im Juli 2021 sogar bereits niedriger als im Vergleichsmonat 2019, also vor der Coronakrise. Im Burgenland, in Oberösterreich und Salzburg lag die Zahl der Arbeitslosen im Juli nur noch minimal über den Juli-Zahlen von 2019.
Gleichzeitig war die Anzahl der beim Arbeitsmarktservice (AMS) gemeldeten offenen Stellen mit rund 113.000 auf Rekordniveau, inklusive Lehrstellen waren es sogar 120.000. Die Langzeitarbeitslosigkeit ist aber noch deutlich höher als vor der Pandemie. Seit dem Höhepunkt Ende April ist die Zahl der Langzeitarbeitslosen um rund 18.000 auf 130.000 zurückgegangen.
"Atemberaubende Dynamik am Arbeitsmarkt"
Am Arbeitsmarkt zeige sich eine "fast atemberaubende Dynamik", sagte Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) bei einer Pressekonferenz am Montag in Wien. "Wir nähern uns dem Niveau der Arbeitslosigkeit von 2019 an." Die niedrigere Arbeitslosigkeit sei dem Tourismus und den Öffnungen nach dem monatelangen Lockdown zu verdanken.
Im Tourismus habe sich die Arbeitslosigkeit fast halbiert. Aber auch in den anderen Branchen gehe die Arbeitslosigkeit zurück. Die Langzeitarbeitslosigkeit, also wenn jemand länger als ein Jahr keinen Job hat, könne nicht "von heute auf morgen" gesenkt werden, sagte Kocher, aber auch hier gebe es erfreulicherweise einen Rückgang.
Auch die Frauenarbeitslosigkeit sei stark zurückgegangen. Zwar kamen die Männer früher aus der Arbeitslosigkeit, weil gewisse Branchen früher an Fahrt gewonnen haben, doch auch die Dienstleistungsbranchen mit traditionell stärkerer weiblicher Beschäftigung hätten nun angezogen. Trotzdem bleibe die Förderzielsetzung für Frauen im AMS weiter hoch. "Wahrscheinlich werden mehr als 50 Prozent der Gelder des AMS für Frauen, insbesondere für Qualifizierungsmaßnahmen, verwendet", sagte der Arbeitsminister.
Arbeitslosigkeit wird im Herbst wieder steigen
Die Arbeitslosigkeit werde im Herbst saisonal bedingt wieder steigen, erwartet Kocher, die genaue Entwicklung sei jedoch wegen der besonderen Situation durch die Coronapandemie schwer vorauszusagen. Der Impffortschritt werde jedenfalls entscheidend für den Arbeitsmarkt, appellierte Kocher wieder einmal an alle, sich impfen zu lassen.
Zu dem von WKÖ-Präsident Harald Mahrer vorgeschlagenen Impfgutschein für Junge meinte er, zusätzliche Anreize wie "Gutscheine oder Freibier" könnten helfen, aber keine Impfskeptiker oder Impfgegner überzeugen. Entscheidend sei ein niederschwelliger Zugang durch kurze Wege und wenig Zeit- und Informationsbedarf.
Bei der Kurzarbeit gebe es erste Zahlen für die Kurzarbeitsphase fünf, diese seien aber noch nicht aussagekräftig, weil bis Mitte August die Kurzarbeit rückwirkend beantragt werden kann. Die Nutzung der Kurzarbeit werde jedenfalls "substanziell geringer" sein.
Schwierig für Betriebe, Arbeitskräfte zu finden
Insgesamt werde es schwieriger für die Betriebe, Arbeitskräfte zu finden. Das hänge mit der demografischen Entwicklung und derzeit im Tourismus vor allem damit zusammen, dass viele ausländische Saisonniers nicht wieder nach Österreich zurückgekehrt seien, weil sie in ihren Heimatländern Jobs fanden.
Die Lage werde sich einigermaßen einpendeln, erwartet der Minister. Manche Betriebe müssten umdenken und auch Leute einstellen, die vielleicht länger arbeitslos waren oder gesundheitliche Einschränkungen haben, meinte Kocher. Es gehe etwa auch im Tourismus darum, die Arbeitsbedingungen zu verbessern und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu fördern.
Kocher möchte nun den August noch abwarten und dann entscheiden, ob er im Herbst in eine breite Diskussion über eine Reform am Arbeitsmarkt eintreten will. Wenn sich die Arbeitsmarktlage einigermaßen normalisiert habe, wolle er diskutieren, wie man den Arbeitsmarkt langfristig gestalte und das Einkommen in der Arbeitslosigkeit besser absichere. "Ich habe da kein Modell im Kopf", sagte er.
"Wirklicher Wirtschaftsboom"
AMS-Vorstand Johannes Kopf sieht derzeit einen "wirklichen Wirtschaftsboom". Seit Wochen gebe es Wachstumsraten über 10 Prozent. "Die Wirtschaft boomt, das führt zu Arbeitskräfteknappheit", sagte er im Ö1-"Mittagsjournal" des ORF-Radio. Möglicherweise liege die Arbeitslosigkeit in Kürze wieder auf dem Vorkrisenniveau von 2019. Besondere Mangelberufe seien derzeit Bauberufe wie Dachdecker, Maurer oder Elektroinstallateure, aber auch der Tourismus habe großen Bedarf. Im Arbeitsmarkt sei derzeit viel Bewegung.
NEOS-Sozialsprecher Gerald Loacker kritisierte angesichts des Rekordhochs an offenen Stellen das Festhalten der Bundesregierung an der Kurzarbeit. Damit sorge man nur für eine "Konservierung" des Arbeitsmarkts: "So nützlich die Corona-Kurzarbeit anfangs war - nun fesselt sie Arbeitskräfte, die für viele Branchen, wie etwa der Gastronomie oder dem Tourismus, überlebenswichtig wären." Es sei daher höchst an der Zeit, die Corona-Kurzarbeit, die bereits mehr als 8,5 Milliarden Euro gekostet habe, auslaufen zu lassen und die Menschen wieder nachhaltig in Beschäftigung zu bringen.
Arbeiterkammer-Präsidentin Renate Anderl erinnert an die Langzeitarbeitslosen: Fast jeder zweite arbeitslos Gemeldete stecke inzwischen in der Langzeitarbeitslosigkeit fest. Höheres Alter, Betreuungspflichten, gesundheitliche Herausforderungen oder längere Arbeitslosigkeit alleine seien für Unternehmen viel zu häufig Grund genug, diesen Menschen keine Chance auf einen Arbeitsplatz zu geben - während sie gleichzeitig klagten, sie würden niemanden finden.
Umdenken der Betriebe gefordert
Da brauche es ein Umdenken der Betriebe. Die Regierung solle die Aktion Sprungbrett ab 2022 mit zusätzlichen 300 Mio. Euro pro Jahr finanzieren und bis zum Ende der Legislaturperiode verlängern, nach zwei Jahren Arbeitslosigkeit eine Jobgarantie für Arbeitslose geben und das Arbeitslosengeld von 55 auf 70 Prozent des Nettoeinkommens erhöhen, forderte die AK-Chefin.
Die Leitende ÖGB-Sekretärin Ingrid Reischl sieht noch keinen Grund zur Entspannung, denn "die Krise ist noch nicht vorbei". Daher brauche es Beschäftigungsprogramme zur Senkung der Arbeitslosigkeit. Das 5-Punkte-Programm des ÖGB umfasse Forderungen nach besserer Verteilung der Arbeitszeit, einer Offensive in der Ausbildung von FacharbeiterInnen, der Ankurbelung von privatem Konsum, einem Schub in der aktiven Arbeitsmarktpolitik (z. B. durch neue Arbeitsstiftungen) sowie einer Stärkung der öffentlichen Hand, etwa durch einen Comeback-Beteiligungsfonds.