Marketing im Web 2.0-Zeitalter verunsichert Firmen

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Neue Web 2.0-Angebote wie Facebook, Twitter und Co. bringen viele heimische Unternehmen ins Grübeln: Soll man schnell mal auf der Welle mitschwimmen, den Trend zum Online-Marketing in diesem Bereich ignorieren oder zumindest abwarten, was daraus wird? Eines steht jedenfalls fest: Der Kampf um die Aufmerksamkeit der User wird härter, waren sich Expertinnen und Experten bei einer Podiumsdiskussion der APA-E-Business-Community in Wien einig.

Aufmerksamkeit erlangt im Social Web nicht der, der am lautesten oder am häufigsten schreit, gab sich Ritchie Pettauer, Berater und Blogger im Bereich Online-Marketing, überzeugt. Einer der zentralen Aspekte sei, über einen längeren Zeitraum im Dialog Kompetenz zu vermitteln. "Das kann nicht durch eine Kampagne mit Ablaufdatum aufgebaut werden", so Pettauer.

Durch das Web 2.0 würden mittelfristig die klassisch getrennten Unternehmensbereiche Werbung, Marketing und Kundenbeziehungsmanagement verschmelzen und damit einen tiefgreifenden organisatorischen Wandel auslösen. Deshalb sind die entscheidenden Erfolgsfaktoren seiner Ansicht nach - neben dem richtigen Kontext für die eigenen Werbemaßnahmen - die laufende Optimierung der gesamten Vertriebskette von Werbeschaltungen über den Verkauf bis zur Nachbetreuung.

Es gebe zwar einen Kampf um die Aufmerksamkeit, dennoch sei der Online-Werbemarkt derzeit der einzige, der wachse. "Der Kuchen wird ständig größer", so Peter Drössler, Obmann des Fachverbands Werbung und Marktkommunikation der Wirtschaftskammer Österreich. Die Präsenz im Netz erfordere aber ein völlig anderes Denken als klassische Mediaplanung und eine ständige Weiterentwicklung der Online-Konzepte, weil kein anderes Segment des Werbemarktes so rasanten Veränderungen unterworfen sei. "Derzeit wird viel zu oft Moden gefolgt, ohne eine Strategie zu haben. Außerdem ist die Halbwertszeit der Lösungen, die funktionieren, sehr gering. Zuerst gab es einen Hype um Xing, dann sind alle zu Facebook gegangen", erklärte Drössler.

Massenbombardement "macht keinen Sinn"

Das Zielgruppenverhalten werde zunehmend unberechenbar, sagte auch Carmen Hickl-Szabó vom Beratungsunternehmen seeyou 3.0. Die Flucht in Massenbombardements über viele verschiedene Kanäle mache dennoch wenig Sinn. "Twitter & Co sind für ganz spezifische Zielgruppen und Messages perfekt. Doch nur, weil sich Internet und mobile Kommunikation in allen Schichten durchsetzen, heißt das noch lange nicht, dass sich das Kommunikationsverhalten im gleichen Tempo ändert", so Hickl-Szabó.

Notwendig für eine erfolgreiche Online-Kampagne seien "haargenaue Überlegungen" zu Zielgruppe, Konzept und Co. "Nur weil die Zutrittsbarrieren gesunken sind, glauben viele, dass weniger Vorarbeiten notwendig sind. Aber auch hier muss man sich im Vorfeld Gedanken machen." Wichtig sei zudem, Marketing "nicht unter der Käseglocke" zu betreiben. Um trotz der Nutzung neuer Medien nicht in traditionelles Verhalten abzugleiten, müssten die Betriebe "die Welt rund herum" - also etwa die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter - miteinbeziehen.

Empfehlung "100-mal besser als jede Werbekampagne"

Die neuen Medien würden "unglaubliche Möglichkeiten" bieten, was auch die Unternehmen berücksichtigen müssten, ergänzte Alf Netek, Marketingexperte der Kapsch AG. "Menschen suchen Vorteile, und die muss ich ihnen bieten. Wenn mich jemand empfiehlt, ist das 100-mal besser als jede Werbekampagne", stellte Netek fest. Allerdings sollte vorher überlegt werden, wie das Informationsbedürfnis des Kunden bzw. der Kundin überhaupt aussehe. "Ziel muss es sein, dieses Bedürfnis zu erfüllen, egal über welches Medium. Denn die Struktur folgt der Strategie", so der Experte.

Klare Zieldefinition und sorgfältige Planung zählt auch Yuki Sakurai vom Webconsulter diamond:dogs zu den Voraussetzungen für das Schaffen von Mehrwerten, die Vertrauen und Beziehungen zwischen Unternehmen und Zielgruppen ermöglichen. Dazu stehen laut Sakurai verschiedenste Möglichkeiten, angefangen vom Blog bis zur eigenen Präsenz auf sozialen Plattformen wie etwa Facebook, zur Verfügung. Andere Maßnahmen im Online-Marketing - wie etwa Suchmaschinenoptimierung und Suchmaschinenmarketing - hätten durch den Trend zu Social Media aber nicht an Bedeutung verloren.

Virtuelle und reale Welten zusammenführen

Der Online-User erkenne "Keilertum" und sei verstimmt, verwies Dieter Zirnig von Hewlett-Packard auf bestehende Probleme in der Branche. Intelligentes Marketing im Netz nutze hingegen die Möglichkeiten, offene Dialoge mit unterschiedlichen Zielgruppen aufzubauen. "Die Königsdisziplin ist, diese Dialoge sowohl online als auch persönlich zu führen und damit virtuelle und reale Welten zusammenzuführen", sagte Zirnig.

Auf einen gewichtigen Vorteil von Internet-Kampagnen verwies Géza Dunzer, Anzeigenleiter Online beim WirtschaftsBlatt Verlag: "Im Printbereich ist eine Kampagne, wenn die Schaltung passiert, schon wieder vorbei. Online gibt es hingegen einen permanenten Prozess der Optimierung über den Kampagnenzeitraum hinweg." Allerdings müsse auch hier vor dem Start klar sein, wo die Reise hingehen soll.

Resümee des WKÖ-Vertreters Drössler: "Wenn ihr Produkt nicht interessant oder zu teuer ist, werden auch Facebook oder Twitter nichts nützen."

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