EZB setzt auf Politik der ruhigen Hand

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Nach turbulenten Monaten im Kampf gegen die Finanz- und Wirtschaftskrise steuert die Europäische Zentralbank (EZB) in ruhigeres Fahrwasser. Wenn die Währungshüter am Donnerstag (6. August) zu ihrer nächsten Zinssitzung zusammenkommen, dürfte die Atmosphäre am Konferenztisch im 36. Stock des Frankfurter EZB-Towers deutlich entspannter sein als zuletzt. Zwar mehren sich die Warnungen vor einer Kreditklemme, doch hat sich der Konjunkturhimmel vorerst deutlich aufgeklart. Damit nimmt auch der Druck auf die Notenbanker um Präsident Jean-Claude Trichet ab, sich mit weiteren Maßnahmen gegen den Abschwung zu stemmen.

Erst vor wenigen Wochen haben sie ein Ankaufprogramm für Pfandbriefe gestartet, mit dem der in der Krise hart getroffene Markt stabilisiert werden soll.

"Die EZB wird jetzt auf Sicht fahren und eine Politik der ruhigen Hand betreiben", sagt der Deutschland-Chefvolkswirt von UniCredit, Andreas Rees. Das Ankaufprogramm für Pfandbriefe und andere gedeckte Schuldverschreibungen im Volumen von maximal 60 Mrd. Euro lief recht verhalten an: Binnen eines Monats wurden lediglich rund vier Mrd. Euro an gedeckten Schuldverschreibungen erworben: "Die EZB wartet ab und wird peu a peu nachlegen", meint Rees.

Eine Erhöhung des historisch niedrigen Leitzinses von einem Prozent wird nach Ansicht der meisten von Reuters befragten Volkswirte bis weit ins nächste Jahr hinein aber kein Thema sein. Die Wirtschaftsdaten deuten daraufhin, dass die europäische Wirtschaft die Talsohle hinter sich gelassen hat. Zuletzt hat insbesondere der deutsche Ifo-Index Hoffnungen aufkeimen lassen, dass die größte Volkswirtschaft der Euro-Zone auf die Konjunkturwende zusteuert. Dennoch warnten EZB-Banker umgehend vor zuviel Euphorie: Eine durchgreifende Erholung in der Euro-Zone zeichne sich noch nicht eindeutig ab, sagte Ratsmitglied Jose Manuel Gonzalez-Paramo.

Kreditklemme

Allerdings bereitet Trichet & Co. zunehmend Kopfzerbrechen, dass es am Kreditmarkt hakt. EZB-Vizepräsident Lucas Papademos sah sich jüngst zu einer Standpauke veranlasst: "Die Banken müssen einsehen, dass eine ausreichende Versorgung der Wirtschaft mit Krediten in ihrem eigenen längerfristigen Interesse ist", mahnte der Grieche in einem Zeitungsinterview. Die Darlehen an Unternehmen in den 16 Euro-Ländern sind im Juni wegen der Rezession im Rekordtempo geschrumpft. Die seit Monaten zu beobachtende Abwärtsdynamik bei der Kreditvergabe dürfte nach Ansicht von Commerzbank-Ökonom Michael Schubert auf der Zinssitzung für reichlich Gesprächsstoff sorgen: "Die EZB wird darüber diskutieren. Aber man wird nicht alles offenlegen, um keine Panik zu schüren."

Zuletzt hatte der deutsche Finanzminister Peer Steinbrück offen vor der Gefahr einer Kreditklemme im zweiten Halbjahr gewarnt. Auch die deutsche Industrie hegt ähnliche Befürchtungen. Die mit Krediten knausernden Banken waren auch deshalb in die Schusslinie geraten, weil sie sich bei der Zentralbank mit billigem Geld überreichlich eingedeckt haben: Bei dem 12-Monatstender der EZB liehen sie sich fast eine halbe Billion Euro. Papademos hat bereits angedeutet, dass die Notenbank bei den Tendern den Hebel ansetzen wird, wenn sie die üppig gewährte Liquidität nach Ende der Krise wieder einsammelt.

Im September steht ein weiterer 12-Monats-Tender an. Daher richten die Experten ihr Augenmerk bereits auf die übernächste Zinssitzung: Eventuell könnten die Währungshüter erste Hinweise geben, ob an den Stellschrauben für die Geldschleusen gedreht wird. "Anders als bei dem letzten Tender könnte das Volumen eingeschränkt werden. Dies wäre ein wichtiges Signal an die Märkte", meint Schubert. Sollte die EZB bei der Vergabe frischen Geldes jedoch einen Aufschlag verlangen, wäre dies ein "Hinweis auf eine implizierte Zinserhöhung im zweiten Halbjahr 2010".

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