Neuer Siemens-Chef:

Konzern muss unter die Top-Firmen

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Kaeser: Habe Ablösung Löschers nicht betrieben.

Der neue Siemens-Chef Joe Kaeser will den Münchener Technologiekonzern wieder unter die Top Unternehmen der Branche führen. In zahlreichen Interviews am Wochenende schwor Kaeser die nach dem Machtkampf an der Siemens-Spitze verunsicherte Belegschaft auf den neuen Kurs ein. Dabei rückte der Nachfolger des vergangene Woche geschassten Österreicher Peter Löscher die Siemens-Werte wie Kundennähe, Ingenieurskunst, Innovation, das Gespür für Qualität und Zuverlässigkeit in den Vordergrund.

   "Unser Anspruch ist, technisch und wirtschaftlich zu den Besten in der Branche aufzuschließen. Doch wir sind zuletzt zurückgefallen, das müssen wir wieder ändern", sagte Kaeser den "Nürnberger Nachrichten" (Montagausgabe) laut Vorabbericht. Dabei merkte der bisherige Finanzvorstand an, dass der Münchener Konzern auch in Sachen Rentabilität gegenüber Konkurrenten wie General Electric aus den USA wieder aufholen müsse. "Das ist enorm wichtig, um die Zukunft des Unternehmens gestalten zu können. Nur wer genug verdient, kann auch in Innovationen und damit in Arbeitsplätze investieren", machte Kaeser in der "Passauer Neue Presse" deutlich. Daher würde auch das von Löscher eingeleitete Programm Siemens 2014, mit dem die Kosten um sechs Milliarden Euro gedrückt werden sollen, fortgeführt, kündigte Kaeser an, der nach hartem internen Machtkampf am Mittwoch zum Nachfolger von Löscher als Vorstandschef gekürt worden war.

   Wachstumschancen sieht Kaeser in der Energiegewinnung, der Elektromobilität, Automatisierungs- und Antriebstechnik sowie in der Gesundheitstechnik mit bildgebender Verarbeitung. "Die Elektrifizierung ist nun mal das Kerngeschäft von Siemens. Deshalb werden wir das Unternehmen auch an seiner Wertschöpfungskette entlang weiter entwickeln", sagte Kaeser dem "Spiegel". Dabei meine Elektrifizierung ja nicht nur Stromerzeugung, -übertragung und -verteilung. "Denken Sie nur an unterbrechungsfreie Stromversorgung für die hiesigen Datenzentren in unserer Internet-geprägten Welt. Auch die Energiegewinnung in der Tiefsee oder Prozesse für das sogenannte Fracking erfordern besondere Fachkompetenz in der Elektrifizierung", sagte der 56-Jährige, der seit mehr als 30 Jahren bei Siemens arbeitet. Ein riesiges Thema sei auch die Automatisierung und Steuerungstechnik für Mobilitätsinfrastrukturen. So müssten die Länder dieser Welt die Kosten der urbanen Infrastruktur pro Bürger senken.

   An der von Löscher eingeführten Konzernstruktur mit den vier Sektoren Industrie, Energie, Medizin und Infrastructure & Cities will Kaeser festhalten. "Ich will Siemens nicht neu erfinden. Und die vier Sektoren stehen als Ausgangsbasis", sagte Kaeser den "Nürnberger Nachrichten". "Man kann sicher diskutieren, ob für das spannende Thema 'Urbane Zentren und Infrastruktur' wirklich ein eigener Sektor hätte geschaffen werden müssen. Aber die Entscheidung ist so gefallen und das ist es jetzt einmal fürs Erste."

   Bei seinem ersten öffentlichen Auftritt nach dem Abgang von Löscher hatte Kaeser am Mittwoch ein Ende des jahrelangen Umbaus des 370.000 Mitarbeiter starken Konzerns versprochen, der Zehntausenden den Job gekostet hat. "Die höchste Priorität ist nicht ein weiteres Restrukturierungsprogramm, sondern die Beruhigung des Unternehmens und die Stabilisierung der inneren Ordnung", hatte Kaeser betont, der offiziell die Aufgaben von Löscher ab dem 1. August übernommen hat. Sowohl die fallen gelassene Renditeprognose von zwölf Prozent bis 2014 als auch das mittelfristige Umsatzziel von 100 Mrd. Euro hätten keine Priorität, hatte Kaeser betont. Allerdings werde es weiter neben den Mitarbeitern auch um die Marge gehen.

   An der Ablösung Löschers war Kaeser nach eigener Aussage nicht beteiligt. "Wer meint, ich hätte den Chefwechsel von langer Hand mit angestoßen, der irrt", sagte Kaeser dem "Focus". Als der Vorstand festgestellt habe, dass Siemens das Gewinnziel für 2014 nicht erreichen werde, habe man aus rechtlichen Gründen eine Pflichtmitteilung veröffentlichen müssen. "Wir haben das im Vorstand besprochen und einstimmig beschlossen", betonte Kaeser.

   Auslöser für den Rauswurf von Löscher war die überraschende Aufgabe der Rendite-Prognose für 2014. Der Spitzenmanager stand bereits wegen der jüngsten Gewinnwarnung und einer Reihe von vorangegangenen Misserfolgen stark unter Druck. Siemens-Aufsichtsratschef Gerhard Cromme, der Löscher im Jahr 2007 als Korruptionsbekämpfer zu Siemens geholt hatte, hatte sich von seinem Schützling abrupt abgewandt. Nach einem tagelang mit großem Getöse öffentlich ausgetragenen Machtkampf fiel die Entscheidung für den Wechsel im Aufsichtsrat am Mittwoch dann jedoch einstimmig.
 

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