Risiko beim Cross-Border-Leasing wurde unterschätzt

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Cross-Border-Leasing bringt Erlöse - ist dafür aber risikoreich. Wobei das Risiko aus heutiger Sicht unterschätzt wurde. Das hat das Wiener Kontrollamt nach umfangreicher Prüfung entsprechender Verträge festgestellt. Die städtischen Kontrollore haben die ab 1998 mit US-Investoren abgeschlossenen Transaktionen, die inzwischen zum Teil beendet wurden, unter die Lupe genommen.

Sie betreffen die Wiener Linien, die Garnituren verleast haben, sowie Verträge betreffend das Wiener Kanalnetz und die EDV-Zentrale. Die gute Nachricht zuerst: Die Wiener Linien und die Stadt Wien erzielten aus den Verträgen Vorteile. Bis zum Prüfungs-Stichtag 30. Juni 2009 verblieb für erstere ein nomineller Überschuss in der Höhe von 68,74 Mio. Euro, die Stadt konnte 26,45 Mio. Euro lukrieren. Bei CBL-Geschäften werden die Objekte an Investoren verkauft und sofort wieder zurückgeleast. Der Leasinggeber profitiert dabei von Steuerverschiebungseffekten, während dem heimischen Vertragspartner eine Prämie ("Barwertvorteil") beim Abschluss der Transaktion ausbezahlt wird.

Hohe finanzielle Risiken

Das Kontrollamt erläutert auf 119 Seiten die höchst komplizierte Konstruktion derartiger Verträge, die, so wird festgestellt, keineswegs unbedenklich sind: "Allerdings hatten die VB/WL (Verkehrsbetriebe/Wiener Linien, Anm.) und die Stadt Wien im Rahmen ihrer CBL-Transaktionen auch nicht unbeträchtliche finanzielle Risiken übernommen." Sie hafteten bzw. haften für den vollen Betrag der Transaktion, was problematisch werden könnte, falls es bei den zwischengeschalteten Finanzinstituten zu Problemen kommt. Der Gesamtbetrag in Wien überstieg dabei die Summe von 1 Mrd. US-Dollar.

Die wirtschaftliche Bedeutung der CBL-Transaktionen für die Wiener Partner war vorhanden, aber im Vergleich zu den jeweiligen Jahresabschlüssen nicht sonderlich hoch. Beispiel Rechnungsabschluss 2003: Der Anteil lukrierter Vorteile durch die städtischen CBL-Verträge beträgt an den Gesamteinnahmen 0,3 Prozent.

"Den lukrierten NBW-Vorteilen (Nettobarwert-Vorteilen, Anm.) steht bzw. stand ein langfristiges unternehmerisches Risiko gegenüber, wobei von der VB/WL bzw. der Stadt Wien die Eintrittswahrscheinlichkeiten solcher Risiken aus heutiger Sicht unterschätzt worden waren", heißt es in dem Bericht. Zusatz: "Aus Gründen der Fairness war darauf hinzuweisen, dass aus damaliger Sicht die im Jahr 2008 eingetretene Finanzkrise und die damit einhergehende Risikoveränderung nicht in dem Ausmaß voraussehbar war."

Vorteile für US-Investoren

Für die US-Investoren ergaben sich laut Kontrollamt aufgrund der CBL-Transaktionen finanzielle (Steuer-)Vorteile, die die NBW-Vorteile der europäischen Vertragspartnerinnen "um ein Vielfaches übersteigen", wie betont wird. Auch Beratungsunternehmen lukrierten demnach "beträchtliche Einnahmen". Die Verträge wurden übrigens in Anwaltskanzleien in New York abgeschlossen. Interessant auch die Begründung, warum das Kontrollamt auf die Hilfe externer Experten verzichtet hat. Davon gebe es nur wenige, halten die Prüfer fest: "Die Tatsache, dass diese auch bei den gegenständlichen Transaktionen direkt oder indirekt mitwirkten, begünstigte deren Objektivität nicht."

Fix ist für das Kontrollamt jedenfalls, dass der Spielraum vonseiten der US-Partner eingeschränkt wurde. Diese hätten die Rahmenbedingungen vorgegeben: "Hinsichtlich der Risikoverteilung war festzuhalten, dass die Risiken bei CBL-Transaktionen für die Leasingnehmerinnen systemimmanent höher waren als jene der US-Investorinnen. Diese Risikoschieflage war auch nicht verhandelbar." Die zuständige Magistratsabteilung 5 und die Wiener Linien versichern in ihrer - im Bericht enthaltenen - Stellungnahme hingegen, dass die "Ungleichverteilung der Risiken" nicht "in dieser eindeutigen Feststellung" nachvollzogen werden könne.

So trage etwa das Hauptrisiko in der Frage, ob CBL steuerlich anerkannt wird, sehr wohl der US-Investor. Auch in der Abwicklung gebe es höchst unterschiedliche Vorgehensweisen. Zum Teil seien etwa bei Auflösungen sämtliche Beratungskosten von den US-Partner übernommen worden.

Wiener Linien fühlen sich bestätigt

Die Stadtwerke haben sich am 24. November über den aktuellen Prüfbericht in Sachen Cross-Border-Leasing erfreut gezeigt: Das Wiener Kontrollamt bestätige das "verantwortungsvolle Management" durch die Wiener Linien, hieß es in einer Aussendung. Die lukrierten Gewinne seien den Kunden zugutegekommen, wurde versichert. Man habe die Mittel etwa verwendet, um in den U-Bahn-Stationen Aufzüge einzubauen. Bestätigt fühlt sich jedoch auch die Opposition, die unter anderem Kritik am hohen Risiko übte.

Die Wiener Stadtwerke verwiesen am 24. November darauf, dass das Kontrollamt festgehalten habe, dass die Cross-Border-Leasing-Verträge der Wiener Linien "im internationalen Vergleich bei den für Leasingnehmerinnen vorteilhaftesten zu finden sind". Das Kontrollamt habe sich überzeugen können, dass durch die Transaktionen die Eigentumsrechte an den Leasingobjekten nicht an US-Trusts übertragen worden seien, sondern unverändert bei den Wiener Linien liegen würden.

Auch SPÖ-Gemeinderat Fritz Strobl betonte, dass das Kontrollamt auf die Erträge hingewiesen habe. "Falschmeldungen" der Opposition, wonach Verluste eingetreten wären, seien eindeutig widerlegt. "Die Eigentumsrechte sind und waren immer vollständig bei der Stadt Wien (Kanal) bzw. den Wiener Linien (U-Bahn- und Straßenbahngarnituren). Auch diese Behauptungen der Opposition waren völlig falsch", so Strobl, der von einem "Bauchfleck der Sonderklasse" für die Opposition sprach.

Noch keine Beurteilung der Wirtschaftlichkeit

Was diese anders sieht: FP-Gemeinderat Dietbert Kowarik - er ist derzeit Vorsitzender des Kontrollausschusses - erinnerte in einer Aussendung daran, dass die "endgültige zahlenmäßige Beurteilung der Wirtschaftlichkeit" bei den Cross-Border-Leasing-Verträgen laut Kontrollamt noch nicht möglich sind. Die noch laufenden Verträge würden zudem immer noch ein nicht einzuschätzendes Risiko bergen: "Die Stadt Wien bzw. die Unternehmen der Stadt Wien haben nicht gewusst, worauf sie sich da einlassen."

ÖVP-Gemeinderat Alexander Neuhuber betonte, dass von einem "Persilschein", wie die SPÖ dies darstellen wolle, jedenfalls keine Rede sein könne. "Wie sich herausstellt, wurden die Risiken bei den Cross-Border-Geschäften unterschätzt und gleichzeitig waren die erzielten Gewinne für die Stadt Wien zu gering", hielt Neuhuber in einer Aussendung fest. Und es werde noch zu prüfen sein, ob dem Wiener Gemeinderat alle zur Beurteilung der Geschäfte notwendigen Unterlagen vorgelegt worden seien.

"Mit trauriger Gewissheit kann die Stadt Wien als Mitverursacher der Finanzmarktkrise betrachtet werden", konstatierte der Budgetsprecher der Wiener Grünen, Martin Margulies. Einem bisher verbliebenen nominellen Überschuss aller CBL-Transaktionen von Stadt Wien und Wiener Linien von 95 Mio. Euro stünde mit Stichtag 31. Dezember 2008 ein Haftungsrisiko von 1,52 Mrd. Euro gegenüber - zum Teil noch für mehr als zwei Jahrzehnte. Wien habe riskant spekuliert und habe zur Realisierung der Geschäfte auch in hoch spekulative Finanzprodukte investiert.

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