Mit mehr Regulierung und einem stärkeren und aktiven Wohlfahrtsstaat will die Sozialdemokratie die Wirtschaftskrise bekämpfen und das "Welt-Casino" des entfesselten Kapitalismus mit seinen fatalen Folgen für die Realwirtschaft eindämmen, so der Tenor bei der "Wiener Sommerakademie" von SPÖ und Renner Institut in der Alten Börse in Wien.
"Ein System ohne Krise wird es nicht geben, jetzt geht es darum das System krisenfester zu machen", sagte der Gouverneur der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB), Ewald Nowotny und warnte davor, dass die Dynamik zur Schaffung umfassender Aufsichtsgremien des Finanzmarkts derzeit etwas verloren gegangen sei - auch weil die Lobbyisten der Londoner City wieder aktiv geworden seien.
Die starken Reaktionen von Regierungen und Notenbanken, um im Herbst 2008 nach dem Zusammenbruch von Lehman Brothers eine Weltwirtschaftskrise zu verhindern, hätten gegriffen, resümierte Nowotny: Durch die Hilfen für Banken, Unternehmen und Konjunktur habe letztlich eine zweite Weltwirtschaftskrise wie in den 30er Jahren verhindert werden können. Damals seien die Regierungen untätig gewesen, jetzt hätten die Regierungen gehandelt. Bei der Krisenbekämpfung habe man also aus der Geschichte gelernt, bei der Krisenverhinderung leider weniger, meint der Notenbanker und Ökonomie-Professor.
Ein Plädoyer für die europäische Einigung hielt Ex-Bundeskanzler Franz Vranitzky (S), der über den Titel des Symposiums "Von Bretton Woods zum Welt-Kasino" sinnierte. Die gemeinsame europäische Währung sei in der Krise zum Schutzschild für Europa geworden, die Aufnahme weiterer Länder in die Euro-Zone dürfe daher nicht blockiert werden, denn "je mehr Länder in der Euro-Zone sind, umso besser für die, die schon drin sind". Insbesondere kleinere Staaten wie Österreich würden durch den Euro keinen Währungsschocks mehr ausgesetzt. Auch die österreichische Politik habe einen Schutzschirm über die Wirtschaft aufgespannt, das Bekenntnis zu Konjunkturprogrammen und Wohlfahrtsstaat sei ein Mittel, um Krisenfolgen wie soziale Depression und Radikalisierung zu verhindern. Wichtig sei nun die Regulierung der Finanzmärkte, forderte Vranitzky.
Neue Regelungen urgierte auch der Chef-Ökonom der UN-Welthandelsorganisation UNCTAD, Heiner Flassbeck: Die Banken müssten in Kommerzbanken und in Investmenthäuser getrennt werden - "und über der Investmentseite steht groß: Spielbank", fordert der Deutsche, ehemals Staatssekretär von Ex-SPD-Finanzminister Oskar Lafontaine. "Wer hineingeht und sein Geld verzockt, soll halt spielen." Hedgefonds sollten aber keine Kredite mehr zum Spekulieren aufnehmen können. Renditen von 20, 30, 40 Prozent könne es gar nicht geben, wenn die Weltwirtschaft jährlich nur um 2 Prozent wachse, ergo sind für den Ökonom derartige "Erträge" Teil eines "betrügerischen Schneeballsystems", das schließlich geplatzt sei.
Erneut Finanztransaktionssteuer gefordert
SP-Staatssekretär Andreas Schieder unterstrich die Forderung nach einer Finanztransaktionssteuer, um Spekulationen generell einzudämmen, sowie nach einer Besteuerung von Spekulationsgewinnen. Die Krise sei auch eine Folge der massiven Deregulierungen und habe die frühere "ideologische Zauberformel" der Neoliberalen - "Mehr Privat, weniger Staat" - entzaubert, kritisierte er insbesondere Ex-Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (V) und Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser. Selbst die neoliberalen Ideologen hätten erkennen müssen, dass die staatlichen Konjunkturpakete, Bankenhilfen und Prämien die einzige Antwort auf die Krise seien.
Für Investmentbanker Willi Hemetsberger ist durch die staatlichen Eingriffe, etwa bei der Bankenhilfe, eine Ungleichbehandlung entstanden, die sich nun auswirke: Die großen Banken würden de facto mit Staatsgarantien spekulieren, während die Hedge Fonds keine derartige Absicherungen besäßen. "Wenn wir nicht aufpassen, wird die nächste Blase größer als die vergangene, und das wird die letzte sein", warnte er vor einer neuen Krise.