Griechen verunsichern die Kapitalmärkte

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Die Angst vor einem Crash des hoch verschuldeten Griechenland hält die Finanzmärkte in Atem. Der Euro wackelt, die Märkte sind nervös. Aller Beruhigungsversuche der EZB, der EU-Kommission und der Regierung in Athen zum Trotz, verbesserten sich für Griechenland auch am Freitag die Bedingungen kaum, zu denen sich das Land am Kapitalmarkt mit frischen Geld versorgen kann.

Immer offener wird in Griechenland diskutiert, den EU-Notfallplan zu nutzen, um eine drohende Staatspleite abzuwenden - und das, obwohl es zum Beispiel von der EZB fast täglich Rückendeckung für die Athener Regierung gibt. EZB-Präsident Jean-Claude Trichet hatte am Donnerstag erneut den Reformkurs gelobt und Sorgen beschwichtigt: "Nach allen Informationen, die ich habe, ist ein Ausfall griechischer Staatskredite kein Thema." Am Freitag bekräftigte Trichet dies in einem Interview mit einer italienischen Zeitung.

Die Märkte zeigten sich davon weitgehend unbeeindruckt. Im Vormittagshandel am Freitag lag die Rendite von zehnjährigen griechischen Staatsanleihen mit 7,356 Prozent um 4,25 Prozentpunkte höher als bei Bundesanleihen mit der gleichen Laufzeit - und damit nur knapp unter dem Rekordwert vom Vortag. Am Donnerstag hatte dieser sogenannte Risikoaufschlag (spread) mit mehr als 4,50 Punkten den höchsten Stand seit der Euro-Einführung erreicht.

"Schwarzer Donnerstag", titelte die konservative Athener Zeitung "Kathimerini". Auch wenn es "noch so schmerzlich" sein werde, sollte Athen die gemeinsame Hilfe der EU und des IWF beantragen, hieß es.

Neue Anleihen in den kommenden Tagen

Ungeachtet hoher Zinsen und Risikoaufschläge will Griechenlands sozialistische Regierung am 13. April Anleihen mit einer Laufzeit von 26 Monaten und 52 Monaten platzieren. Am 20. April solle ein neuer Anlauf mit dreimonatigen Anleihen folgen, berichtete die griechische Presse unter Berufung auf die zuständige Behörde (ODDIH) in Athen. Wie hoch die Beträge sein werden, wurde zunächst nicht bekannt. Nach Berechnungen der Commerzbank müssen die Griechen allein am 20. April Staatsanleihen im Wert von 8,2 Mrd. Euro tilgen.

Spekulanten heizen das Klima zusätzlich an. "Offenbar reichen schon einige negative Schlagzeilen, um die Renditeaufschläge bei den Staatsanleihen weiter auseinander zu treiben", urteilten die Commerzbank-Experten. Die Sorge von Investoren vor einer Eskalation hatte zuletzt auch an den Devisenmärkten Spuren hinterlassen. Der Kurs des Euro konnte sich erst im späten Donnerstaghandel leicht von seiner rasanten Talfahrt erholen. Am Freitag hielt er sich knapp unter der Marke von 1,34 US-Dollar.

Die griechische Schuldenkrise und die Aussicht auf langfristig niedrige Zinsen trieben den Goldpreis am Freitag auf ein Euro-Rekordhoch. Der Preis für eine Feinunze (31,1 g) lag bei fast 863 Euro. Das Edelmetall kostete damit so viel wie noch nie. In der für Rohstoffmärkte üblichen Notierung in US-Dollar kletterte der Preis für das gelbe Edelmetall auf 1.156,85 Dollar und damit knapp unter das Jahreshoch von 1.161,50 Dollar, das Mitte Jänner erreicht wurde.

Mit einem Staatsdefizit von rund 13 % des BIP im vergangenen Jahr ist Griechenland der größte Schuldensünder unter den 16 Euro-Ländern. Erlaubt sind nach den europäischen Regeln maximal 3 % Defizit. Die Regierung von Ministerpräsident Giorgos Papandreou hat ein drakonisches Sparprogramm eingeleitet, um den Schuldenberg in Höhe von rund 300 Mrd. Euro abzubauen: Die Mehrwertsteuer wird erhöht, Renten werden eingefrorenen, Bezüge von Staatsbediensteten gekürzt.

Nach jüngsten Daten sank das griechische Haushaltsdefizit im 1. Quartal dieses Jahres um 40 % im Vergleich zum Vorjahreszeitraum: von 7,1 Mrd. Euro auf 4,3 Mrd. Euro. Dieser Rückgang kam nach Angaben der Regierung zustande, ohne dass die zuletzt beschlossenen zusätzlichen Sparmaßnahmen bereits voll in Kraft gewesen seien. Das Haushaltsdefizit könne im laufenden Jahr wie geplant auf 8,7 % gesenkt werden.

Ökonomen und Beobachter bezweifeln jedoch, dass die Griechen die Mammutaufgabe aus eigener Kraft werden lösen können. Die den regierenden Sozialisten nahestehende Zeitung "To Vima" äußerte am Freitag die Meinung, eine Gruppe von zwölf IWF-Sachverständigen, die seit Mittwoch in Athen ist, erörterte bereits mit der Regierung Bedingungen und Höhe möglicher IWF-Kredite.

Nowotny: Wollen Pleite mit allen Mitteln ausschließen

Notenbank-Gouverneur und EZB-Ratsmitglied Ewald Nowotny will eine Pleite Griechenlands auf jeden Fall ausschließen. "Wir wissen aus der Vergangenheit, dass es eine Situation geben kann, wo Staaten den Forderungen nicht im vollen Ausmaß nachkommen, rein technisch kann das vorkommen, für ein Euro-Mitgliedsland wollen wird das aber mit allen Mitteln ausschließen", sagte Nowotny dem Ö1-"Mittagsjournal".

Die Situation der griechischen Staatsfinanzen sei zwar ernst, aber allein der Schutzschirm der EU und die gestern von der EZB beschlossenen zusätzlichen Maßnahmen betreffend die Akzeptanz von griechischen Anleihen sollten zur Beruhigung der Situation beitragen, so Nowotny.

Dass die Finanzmärkte derzeit bezüglich Griechenland nervös seien, bezeichnete Nowotny als Faktum. Griechenland stehe vor einer schwierigen Aufgabe und es gebe derzeit noch keine völlig Klarheit über die endgültigen Defizitzahlen. Dazu kämen massive spekulative Bewegungen auf den Finanzmärkten.

"Griechenland muss sehr hohe Zinsen zahlen, das ist ein Zustand, der auf Dauer nicht aufrecht zu erhalten ist", so Nowotny. Zunächst gehörten die endgültigen Zahlen auf den Tisch.

"Ich hoffe, wenn alle diese Unsicherheiten und Vertrauensprobleme gelöst sind, sich auch die Märkte wieder beruhigen", so Nowotny. Die Situation sei "sicher nicht unernst", um sie meistern zu können, sei eine vertrauensvolle Zusammenarbeit von allen Seiten notwendig.

Berlin: Griechenland wird Refinanzierung gelingen

Die deutsche Regierung sieht weiter keinen Grund für ein Eingreifen in der Griechenland-Krise. "Es gibt keinen Grund daran zu zweifeln, dass Griechenland die Refinanzierung seiner Schulden gelingen wird", sagte ein Sprecher des Finanzministeriums am Freitag in Berlin. Es lasse sich auch "kein Grenzzinssatz für den Katastrophenfall" festlegen. Das Volumen möglicher deutscher Hilfen bei einem Eingriff des IWF wollte er nicht beziffern. Ein Regierungssprecher betonte, jede Auszahlung bilateraler Darlehen müsse von den Eurostaaten einstimmig beschlossen werden.

Berlusconi: Italien und Frankreich müssen helfen

Italien und Frankreich stehen nach den Worten des italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi in der Pflicht, Griechenland zu helfen. Nur so könnten negative Folgen für ihre Länder und den Euro verhindert werden, sagte er am Freitag. Der französische Präsident Nicolas Sarkozy erklärte auf der gemeinsamen Pressekonferenz, sein Land sei bereit, Griechenland jederzeit zu unterstützen. Wann der richtige Zeitpunkt für die Hilfen sei, müssten aber die europäischen Institutionen entscheiden.

Staatsbedienstete planen für 22.4. neuen Streik

Aus Protest gegen das Sparprogramm der griechischen Regierung will der Öffentliche Dienst am 22. April in einen 24-stündigen Streik treten. Die Kürzungen gingen zulasten der Armen und schonten diejenigen, die für die Krise verantwortlich seien, sagte der Generalsekretär der Gewerkschaft Adedy, Ilias Iliopoulos, zu Reuters.

Es ist der 4. von Adedy organisierte Streik seit Beginn des Jahres. Die Gewerkschaft hat rund 500.000 Mitglieder. Von den geplanten Arbeitsniederlegungen sind auch die Verkehrsbetriebe betroffen. Die Regierung in Athen will mit ihrem Sparprogramm das enorme Budgetdefizit in den Griff bekommen.

Soros gibt Deutschland Mitschuld an griechischem Drama

Der milliardenschwere US-Finanzinvestor George Soros gibt der deutsche Regierung eine Mitschuld an den rekordhohen Risikoaufschlägen für griechische Staatsanleihen. "Wenn Deutschland sich darauf einlassen würde, Geld zu günstigeren Konditionen zu geben, würden die Marktzinsen fallen", sagte Soros am Freitag in Cambridge.

"Ich hoffe, dass Deutschland erkennen wird, dass das Gerede über Kredite zu Marktzinsen die falsche Medizin ist. Das würde Griechenland in den Abgrund treiben."

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