Gut zwei Monate nach der Arcandor-Pleite hat der vorläufige Insolvenzverwalter Klaus Hubert Görg eine verheerende Bilanz der Arbeit des früheren Topmanagements gezogen. "Es gibt zahlreiche Beispiele dafür, dass um den Preis der kurzfristigen Liquidität die Ertragskraft und die Substanz ruiniert wurden", sagte Görg der "Welt am Sonntag". Zudem sehe er "einige Hinweise" auf Insolvenzverschleppung. Ob es deshalb zu rechtlichen Schritten kommen wird, ist aber noch offen.
Hart ins Gericht ging der Insolvenzverwalter vor allem mit Ex-Arcandor-Chef Thomas Middelhoff und dessen Paradeprojekt: dem Umbau des Handelskonzerns zu Europas zweitgrößtem Reiseveranstalter. Der mit Krediten finanzierte Mehrheitserwerb beim Reiskonzern Thomas Cook sei ein Fehler gewesen, meinte Görg.
"Diese Übernahme von Thomas Cook hat dem Unternehmen weitere Substanz entzogen, die dann für die Sanierung der Handelsbereiche Karstadt und Primondo fehlte und bis heute fehlt." Er sei sicher, "dass die Sanierungschancen ohne das Thomas-Cook-Investment höher gewesen wären als jetzt", betonte der Insolvenzverwalter.
Dabei galt die Mehrheitsübernahme bei dem Handelsriesen bisher als das Glanzstück der Ära Middelhoff. Die Touristiktochter hatte zuletzt den Löwenanteil des Umsatzes erwirtschaftet und als einzige Sparte noch einen deutlichen Gewinn erzielt.
Managementfehler und mangelndes Kostenbewusstsein
Zudem kritisierte Görg das mangelnde Kostenbewusstsein Middelhoffs. "Ein Vorstandsvorsitzender sollte Vorbild sein" - gerade in einem ums Überleben kämpfenden Konzern, meinte Görg. Doch der dienstliche Aufwand des Arcandor-Vorstandes sei sehr hoch gewesen. "Ich habe sparsamere erlebt", rügte er.
Görg malte ein düsteres Bild der Lage bei dem vor der Zerschlagung stehenden Essener Konzern. "In diesem Hause gibt es wirklich nichts, was nicht anderen Leuten gehört. Das habe ich in so großen Untenehmen noch nie erlebt", urteilte der Insolvenzexperte.
Hinweise auf Insolvenzverschleppung - Middelhoff schweigt dazu
Ein Sprecher Middelhoffs lehnte am Montag jede Stellungnahme zu den Vorwürfen ab. Die Bochumer Staatsanwaltschaft setzte unterdessen ihre Ermittlungen gegen den Manager wegen des Verdachts der Untreue fort. Justizsprecher Bernd Bienioßek sagte der AP, die Ermittlungen würden angesichts der Fülle des zu auszuwertenden Materials noch einige Zeit dauern. Der Manager selbst bestreitet die Vorwürfe entschieden.
Den Arcandor-Mitarbeiter stehen unterdessen harte Einschnitte bevor. Bei der Konzerntochter Primondo mit dem Flaggschiff Quelle sollen bis 2010 mit 3.700 rund ein Drittel aller Arbeitsplätze abgebaut werden. Die defizitären 109 Quelle Technik Center würden zeitnah geschlossen und die Quelle-Shops von 1.450 auf rund 1.000 reduziert, teilte Görg bereits in der vergangenen Woche mit.
Auch bei der Warenhauskette Karstadt drohen bei der Neuordnung des Konzerns "nennenswerte Stellenstreichungen". Der Umfang der Personalanpassungen werde vom Erfolg der Verhandlungen über Sanierungsbeiträge abhängen. 19 der 126 Waren- und Sporthäuser stünden zur Disposition. Pro Karstadt-Haus sind durchschnittlich zwischen 120 bis 250 Mitarbeiter beschäftigt. "Diese Operation wird Schmerzen bereiten", erklärte Görg.