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Coronabedingte Reisekrise bremst Chinas Wirtschaft

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Corona setzt auch dem Tourismus in China zu, der unter Lockdowns und Beschränkungen leidet.

Das zeigt ein Blick auf die südliche Inselprovinz Hainan. Sie wird wegen ihres ganzjährig milden Wetters auch als Chinas Hawaii bezeichnet: Die Zahl der Urlaubsreisen nach Sanya ganz im Süden brach während der Ferien zum chinesischen Totengedenkfest (Qingming) Anfang April laut offiziellen Statistiken um 99,4 Prozent ein. Die Bettenauslastung der Hotels betrug im Schnitt 12,6 Prozent.

Auch wenn die chinesische Tourismusbranche nicht so sehr im Fokus steht wie etwa die Industrie, so ist sie doch ein bedeutender Wirtschaftsfaktor: 2019 trug sie immerhin 11,05 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) Chinas bei. Fast 80 Millionen Männer und Frauen in der (hinter den USA) zweitgrößten Volkswirtschaft arbeiten in diesem Bereich, jeder zehnte Arbeitsplatz entfällt damit auf den Tourismus.

Kein Wunder also, dass die Warnungen vor schweren ökonomischen Folgen durch die Krise dieser Branche zunehmen. "Wenn die Reisen zwischen den Provinzen während des Drachenbootfestes im Juni verboten werden, werden der heurige Tourismus und der damit verbundene Konsum im Chaos versinken", sagt Tian Yun, ein ehemaliger Ökonom der staatlichen Wirtschaftsplanungsbehörde. Das BIP-Wachstum könnte dann in diesem Jahr um mindestens 0,5 Prozentpunkte geschmälert werden. Das wäre mindestens ein Zehntel des von der Regierung ausgegebenen Wachstumsziels von etwa 5,5 Prozent.

Die vom Tourismus abhängigen Provinzen sind alarmiert. Sie versuchen, mit gesenkten Eintrittspreisen bei Touristenattraktionen und Steuererleichterungen gegenzusteuern. Der Abschwung hat sich in den vergangenen Monaten mit der Ausbreitung der hochansteckenden Omikron-Variante des Coronavirus verschärft. So steckt etwa die Wirtschaftsmetropole Shanghai - mit 26 Millionen Einwohnern die größte Stadt des Landes - seit mehr als drei Wochen in einem Lockdown.

Drastische Kürzungen bei Passagierflügen und plötzliche Stornierungen schrecken viele Reisende ab. Nach Angaben des Luftfahrtdatenanbieters VariFlight liegt die Zahl der wöchentlichen Inlandsflüge in China aktuell bei knapp über 35.000 und damit auf dem niedrigsten Stand seit dem Jahr 2000. In Hohhot, der Hauptstadt der nordchinesischen Region Innere Mongolei, die für ihr grünes Grasland bekannt ist, ging die Zahl der Touristenreisen während der freien Tage zum Totengedenkfest um die Hälfte zurück. Die Einnahmen aus dem Tourismus brachen um 53,5 Prozent ein.

Selbst in größeren Provinzen wie Yunnan, in der 2019 noch rund 90 Prozent des Dienstleistungssektors auf den Tourismus entfielen, griffen die Behörden zu Hilfsmaßnahmen wie Steuersenkungen, um Reiseunternehmen zu unterstützen. Um einheimische Besucher anzulocken, hat die malerische Stadt Dali, ein beliebtes Reiseziel in Yunnan, Ende voriger Woche mit der Ausgabe von zehn Millionen Konsumgutscheinen begonnen. Auch die Preise für Eintrittskarten für Sehenswürdigkeiten wurden gesenkt.

Während der Tourismus zwischen den Provinzen Anfang April um 95 Prozent eingebrochen ist, setzen viele Orte auf chinesische Besucher. Ningxia, eine ärmere und vom Tourismus abhängige autonome Region im Nordwesten Chinas, verzeichnete sogar 21,1 Prozent mehr Besucher. Sie hat ihre 7,2 Millionen Einwohner mit Eintrittskarten für mehr als 60 Tourismusorte um 199 Yuan (knapp 30 Euro) beworben - ein enormer Preisnachlass, werden doch sonst fast 3.000 Yuan verlangt. Trotz der höheren Besucherzahlen während der drei freien Tage zum Totengedenkfest sanken die Einnahmen deshalb um 16,3 Prozent. "Die Einheimischen haben ihre eigenen Autos und können selbst zu den Sehenswürdigkeiten fahren", sagt Gu Xuebo, ein Fahrer und Fremdenführer aus Ningxia. "Und es gibt keine Nachfrage nach Unterkünften und Verpflegung seitens der Einheimischen."

Gus 14-sitziger Minivan verstaubt seit August 2021 in der Garage. Ein paar Monate später wurde seinem Reisebüro verboten, Touristen aus anderen Provinzen zu bedienen. Heuer hatte Gu erst zwei Kunden. "Mehrere Fahrer, die sechs, sieben Jahre lang für mich gearbeitet hatten, haben alle einen anderen Job angenommen", sagt Gu.

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