93 Prozent dagegen

Isländer wollen Mrd. nicht zurückzahlen

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Bei der Volksabstimmung hat sich die Regierung eine gewaltige Abfuhr geholt. Island schuldet knapp 4 Mrd. Euro Großbritannien und den Niederlanden.

Die Isländer haben am Samstag dem mit Großbritannien und den Niederlanden vereinbarten Gesetz zur Rückzahlung von rund 3,9 Mrd. Euro Schulden aus Konten der vor eineinhalb Jahren Baden gegangenen Internet-Bank Icesave eine überdeutliche Abfuhr erteilt. Über 93 % sprachen sich in der ersten seit der Unabhängigkeit Islands durchgeführten Volksabstimmung dagegen aus, diese Summe bis 2024 und zu einem Zinssatz von 5,55 % mit ihren Steuergeldern zu begleichen.

Mehr als klare Absage

Dass die Abstimmung negativ ausgehen würde, war nach Umfragen der vergangenen Monate vollkommen klar. Was letzten Endes doch überraschte, war das Ausmaß der Ablehnung und die mit laut vorläufigen Ergebnissen über 63 Prozent nicht so geringe Beteiligung an dem Referendum. Umfragen hatten auf eine ein 70-80 Prozentiges Nein und auf eine wesentlich geringere Beteiligung hingedeutet.

Regierung in der Bredouille

Die Mitglieder der rot-grünen Regierung in Reykjavik waren in der Nacht auf Sonntag bemüht, das Ergebnis herunterzuspielen. Ministerpräsidentin Johanna Sigurdardottir bekräftigte ihren Standpunkt von vergangener Woche, wonach das erwartete Ergebnis der Volksabstimmung nicht zum Rücktritt der Regierung führen werde und auch keine Auswirkungen auf die weiteren Bemühungen haben werde, schnell ein neues, für Island günstigeres Abkommen mit London und Den Haag auf die Beine zu bekommen.

Finanzminister Steingrimur Sigfusson stand sichtlich unter Schock, als er sich vor laufenden Kameras zu der Bemerkung hinreißen ließ, er sei vielmehr überrascht, dass überhaupt so viele Bürger (1,8 %) mit Ja gestimmt hätten - wo es sich ohnehin um ein praktisch totes Gesetz gehandelt habe. Die Opposition jubelte hingegen über das einem Vulkanausbruch des Volkszorns ähnelnde Ergebnis ebenso wie jener Mann, der das Referendum durch die Verweigerung seiner Unterschrift unter das Icesave-Gesetz erst vom Zaun gebrochen hatte: Präsident Olafur Ragnar Grimsson.

Wirklich nützen wird das Ergebnis vorerst aber kaum jemandem: Die Position der Regierung ist geschwächt. Sie hatte sich gegen das Referendum in die Waagschale geworfen. Es gelang Sigurdardottir und ihren Leuten aber weder mit den Briten und den Holländern rechtzeitig eine für Island günstigere Entschädigungsvereinbarung auszuverhandeln, noch die Bürger von der über die internationalen Medien um den ganzen Erdball schallenden Ohrfeige abzuhalten.

Die Freude der Opposition steht ebenfalls auf dünnen Beinen. Vor allem die konservative Unabhängigkeitspartei war es nämlich, deren Politiker und befreundete Bankmanager vermutlich mehr als nur ein Schärflein zum spektakulären Zusammenbruch des isländischen Finanzsystems im Herbst 2008 beigetragen hatten. Das dürfte den meisten Isländern durchaus noch in Erinnerung sein.
Und Präsident Grimsson, der sich nach jahrelangem Schattendasein in der Politik mit dem Icesave-Veto wieder in den Vordergrund gespielt hat, wird sich früher oder später die Frage stellen, ob seine populäre Aktion nicht in krasser Unverhältnismäßigkeit zu dem Schaden steht, den sie für sein Land auf mittlere Sicht angerichtet haben könnte.

EU-Beitritt Islands könnte schwieriger werden

Der angeschlagene Ruf Islands als Schuldnernation wird nun wohl kaum besser und die Niederlande haben bereits angedeutet, sie könnten die Verhandlungen über den EU-Beitritt Islands blockieren. Aus dem als engste Brudernation geltenden Norwegen verlautete, es sei nach diesem Ergebnis der Volksabstimmung keineswegs sicher, dass man Island weiterhin mit Krediten versorgen werde. Eine Unterstützung Islands durch "wirtschaftliche Garantien" sei ebenfalls eine Option, sagte der finanzpolitische Sprecher der an der Regierung von Ministerpräsident Jens Stoltenberg beteiligten Zentrumspartei, Per Olav Lundteigen.

Auch in London, Den Haag, Brüssel und in der übrigen EU dürften sich viele nicht nur über die Aufmüpfigkeit eines marginalen Inselvolks Gedanken machen. Ähnliche Probleme wie in Island - Überschuldung des Staates ebenso wie der privaten Haushalte, gut versteckte Leichen im Keller der Wirtschaftselite, massenhaft Ausstände von verstaatlichten wie von privaten Banken und wachsende Unzufriedenheit der Bevölkerung gibt es anderswo durchaus auch.

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