Frauen und jüngere Menschen in höherem Ausmaß gefährdet.
Elf Prozent der Menschen in Österreich sind kaufsüchtig, weitere elf Prozent zeigen in Sachen Shopping ein kompensatorisches Verhalten. Das ergab eine Studie der Arbeiterkammer (AK) Wien auf Basis von Interviews mit 1.000 Konsumenten ab 14 Jahren, durchgeführt von Gallup Institut/Karmasin Marktforschung. Die Ergebnisse wurden am Donnerstag bei einer Pressekonferenz präsentiert.
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Der Anteil der von der AK als kaufsuchtgefährdet bezeichneten Menschen - solche mit kompensatorischem und süchtigem Verhalten - hat sich von der letzten derartigen Studie der Arbeiterkammer im Jahr 2011 um vier Prozentpunkte reduziert. Bei den Frauen ist demnach jede Dritte kaufsuchtgefährdet, bei den Männern ist es nur jeder Fünfte.
Kaufsucht ist der Studie zufolge ein Problem der Menschen bis zum mittleren Alter, wie Autorin Nina Tröger erläuterte. In der Gruppe der 14- bis 29-Jährigen sind 17 Prozent kaufsüchtig, bei den 30- bis 44-Jährigen sind es 16 Prozent. Dann sinkt der Anteil signifikant auf nur noch fünf Prozent. Unter den Konsumenten, die häufig im Internet kaufen, sind 26 Prozent kaufsüchtig, von den Menschen, die nie online shoppen, sind es nur sechs Prozent.
Einen Zusammenhang stellte die Studie auch zwischen Kaufsucht und bargeldlosem Zahlen her: 21 Prozent der Menschen, die häufig mit der Bankomatkarte Rechnungen begleichen, sind kaufsüchtig, aber nur vier Prozent all jener, die das nie tun. Auch Menschen mit niedriger Bildung zeigen tendenziell häufiger ein problematisches Kaufverhalten.
Kaufsucht sei "ein Thema, das in der Öffentlichkeit nicht so präsent ist, unserer Ansicht nach aber mehr Beachtung verdient", sagte Gabriele Zgubic, Leiterin der Abteilung Konsumentenpolitik in der AK Wien. Um dem Problem zu begegnen, plädiert sie für Finanz- und Verbraucherbildung in Schulen.
Das Wiener Anton-Proksch-Institut (API) für Suchtkranke behandelt seit zehn Jahren auch Kaufsüchtige. "Kaufsucht kommt nie allein", erklärte Michael Musalek, ärztlicher Leiter des API. Sie geht vielfach Hand in Hand mit Depressionen, Schlaf- und Angststörungen oder Problemen in der Beziehung und Familie. Kaufsüchtig ist, wem der Kaufakt ein Gefühl der Befriedigung verschafft, und nicht das erstandene Produkt. "Kaufsucht ist die am meisten stigmatisierte Suchterkrankung", betonte der Mediziner, Kaufsüchtige kämen kaum in Behandlung. Aber die Therapie wirkt in den meisten Fällen. "80 Prozent können bei regelmäßiger Behandlung über eine lange Zeit symptomfrei sein", sagte der Psychiater.
Das klassische Therapieziel, die völlige Abstinenz, ist bei dieser Form der Sucht naturgemäß nicht zu erreichen - einkaufen muss schließlich jeder. Ziel ist deshalb eine partielle Abstinenz - shoppen bei Wohlgefühl und nicht in einer depressiven Phase. In einem zweiten Schritt geht man das allgemeine Problem des Betroffenen an, um dann an einer Neugestaltung des Lebens zu arbeiten.
"Sucht ist immer abhängig von der Verfügbarkeit des Produkts", erklärte Musalek. Das ist möglicherweise eine Erklärung dafür, warum der Anteil der Kaufsüchtigen unter den Online-Shoppern vergleichsweise hoch ist. "Das 'Geschäft' ist im Hosensack oder in der Handtasche", so der Psychiater. Außerdem vermeiden die Betroffenen das Gefühl der Scham, das angesichts eines Bergs nicht benötigter Dinge an der Kassa entstehen kann.