Polen: Öffentliches TV steht vor der Pleite

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Der öffentliche polnische Fernsehsender TVP wird heuer voraussichtlich 300 Mio. Zloty (72 Mio. Euro) weniger einnehmen als im 2008.

Sinkende Werbeeinnahmen und schlechtere Zahlungsmoral bei den Rundfunkgebühren schlagen sich zu Buche, berichtet die Zeitung "Dziennik Gazeta Prawna". Die Mindereinnahmen könnten TVP in die Zahlungsunfähigkeit führen, sagte der Vorsitzende des nationalen Rundfunkrates (KRRiT), Witold Kolodzejski.

Die Zeitung beruft sich auch auf Schätzungen des Medienconsulter Starlink. Demnach sei das Werbeaufkommen bei TVP im ersten Halbjahr 2009 um rund 11 % niedriger ausgefallen als 2008. Dies entspricht genau dem Rückgang, den Starlink für die gesamte polnische Werbebranche im ersten Halbjahr 2009 angab. Ein Plus sah Starlink nur bei der Werbung im Internet, das nach dem Fernsehen in Polen zum zweitgrößten Werbeträger aufstieg.

TVP macht allerdings zusätzlich die gesunkene Bereitschaft der Polen zu schaffen, die Rundfunkgebühren zu zahlen. "Dziennik Gazeta Prawna" geht davon aus, dass TVP deswegen heuer Mindereinnahmen von knapp 200 Mio. Zloty hinnehmen muss. Experten machen dafür die politische Diskussion um die Gebühren verantwortlich: Die Regierungsparteien wollten die Abschaffung der Gebühr im Parlament durchsetzen, scheiterten aber an einem Veto von Präsident Lech Kaczynski.

Der TVP-Vorstand plante zu Beginn des Jahres die Kündigung von fast 400 Mitarbeitern, das wären 10 % der Beschäftigten. Inzwischen hat die Führung des Fernsehens jedoch aus politischen Gründen gewechselt. "Die Nachfolger dürfen die Restrukturierung nicht abbrechen", forderte Waldemar Stachowiak, Analyst der Fondsgesellschaft Ipopema Securities.

Polens Werbemarkt von Fernsehen dominiert

Polens Werbemarkt ist rund 2 Mrd. Euro schwer und damit genauso groß wie jener in Österreich. Im Gegensatz zur Alpenrepublik ist er aber vor allem auf das Fernsehen konzentriert: Auf den TV-Markt entfallen 50 % der gesamten Werbeausgaben.

"Der Markt in Polen ist wesentlich umkämpfter und fragmentierter als in Österreich", erklärte Christian Lainer, Geschäftsführer der in Polen ansässigen Agentur TBWA, die zur internationalen Omnicom-Gruppe gehört. Von der Fußball-EM 2012 in Polen und der Ukraine erwartet er keine zusätzlichen Impulse, da erfahrungsgemäß die UEFA alle Aktivitäten zentral lenke. Auch die TBWA spüre die Wirtschaftskrise: 15 % der Mitarbeiter mussten gekündigt werden. Derzeit beschäftigt die Werbeagentur rund 200 Mitarbeiter.

Vor allem Printmedien befinden sich in einer schwierigen Lage: Während 2008 die Werbeeinnahmen im Vergleich zum Vorjahr um 2,5 % gestiegen waren, sanken sie im ersten Quartal 2009 dramatisch um knapp ein Fünftel. Am stärksten waren die Tageszeitungen betroffen, die einen Einnahmenrückgang von fast einem Viertel erlitten, so das Beratungsunternehmen CR Media Consulting. Die größten Verlage des Landes, der polnische Agora-Verlag ("Gazeta Wyborcza") und der deutsche Konkurrent Axel Springer ("Dziennik"), haben harte Konsequenzen gezogen und Hunderte von Vollzeitbeschäftigten gekündigt.

Während die Printmedien an Lesern verlieren, nimmt die Anzahl der Internet-User in Polen ständig zu. Der Durchdringungsgrad liegt derzeit bei 45,6 %, Tendenz steigend. Davon profitiert auch die Internet-Werbung: Im Vorjahr gab Polens Wirtschaft rund 1,17 Mrd. Zloty aus. Auch immer mehr Zeitungsverlage investieren in ihren Online-Auftritt, um die fallenden Einnahmen aus dem Printbereich zu kompensieren.

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