Nach dem geplanten Ausstieg aus der Gasfirma VNG will Deutschlands fünftgrößter Versorger EWE am Markt als aktiver Käufer auftreten. "Von Interesse könnten Stadtwerke sein, die an unser Versorgungsgebiet angrenzen oder in ihm liegen", sagte Vorstandschef Werner Brinker in einem Agentur-Interview. Auch der Kauf von Windparks und Versorger-Beteiligungen in der Türkei stünden auf der Agenda. Allerdings wolle sich der Konzern dabei nicht bis über beide Ohren verschulden.
"Wir werden alles tun, um unser A-Rating zu behalten", betonte Brinker. Durch die vom neuen Großaktionär EnBW gezeichnete Kapitalerhöhung fließen EWE 1,3 Mrd. Euro in die Kasse. Den Erwerb des VNG-Anteils von EWE wollen sich die Baden-Württemberger 1,2 Mrd. Euro kosten lassen. "Allzu groß sind unsere Spielräume dennoch nicht, da wir bis 2014 einen Großteil unserer Schulden von derzeit 2,6 Mrd. Euro zurückzahlen wollen und uns die Komplettübernahme der Bremer Stadtwerke swb rund 700 Mio. Euro kostet".
Mögliches Ziel einer Übernahme könnte der Regionalversorger GEW Wilhelmshaven sein, der zu 49 Prozent zu der von E.ON zum Verkauf gestellten Thüga-Gruppe gehört. "An der Thüga-Gruppe sind wir nicht interessiert. Einzelne Teile daraus könnten aber zu uns passen - ein Beispiel wären die Thüga-Anteile an der GEW", sagte Brinker.
Windparks werden angeboten
Die Wirtschaftskrise sorgt zwar bei EWE wie auch bei anderen Versorgern für einen rückläufigen Energieabsatz in diesem Jahr. Aber sie schafft auch Chancen. "Seit drei bis vier Monaten werden wir verstärkt von Finanzinvestoren angesprochen, ob wir nicht deren Windparks kaufen wollen", sagte Brinker. "Wir würden sehr genau prüfen, ob die Objekte zu uns passen. Erst dann würden wir zugreifen." Investieren wolle EWE zudem auch weiterhin in Windenergieanlagen im Meer.
Die Türkei spielt bei den Expansionsplänen von EWE eine anhaltend wichtige Rolle. "Durch den Konsolidierungsprozess im türkischen Markt gibt es derzeit mehr Möglichkeiten als wir umsetzen könnten", erklärte Brinker. Der Erwerb weiterer Beteiligungen sei ebenso denkbar wie der Bau von Windkraft- und mittelfristig auch Solarenergieanlagen. Den Einstieg bei den Versorgern Bursagaz und Kayserigaz haben sich die Oldenburger bisher rund 700 Mio. Dollar kosten lassen.
In sein neues Geschäftsfeld Elektroautos setzt EWE ebenfalls große Hoffnungen. "Das Interesse für das Elektroauto E3, das wir gemeinsam mit Karmann entwickeln, ist hoch - es gibt bereits Anfragen für weit über 100 Stück", sagte Brinker. In zwei Jahren könnte der E3 demnach kleinserien-reif sein und es könnten mehrere 100 Stück im Jahr hergestellt werden.
Für das laufende Geschäftsjahr erwartet EWE Brinker zufolge einen Gewinnanstieg. "2008 haben wir darunter gelitten, dass wir die Bezugskostensteigerungen nur mit Verzögerung weitergeben konnten. Das ist in diesem Jahr nicht der Fall." 2008 hatte EWE bei einem Umsatz von 5,3 Mrd. Euro einen Rückgang des Überschusses um ein Drittel auf 208 Mio. Euro verbucht.