Klima: USA scheitern an den politischen Strukturen

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Dass es bei der Weltklimakonferenz im Dezember konkrete, in Zahlen gegossene Ergebnisse gibt, wird immer unwahrscheinlicher. Selbst die EU kann sich auf keinen gemeinsamen Weg einigen, lediglich Rahmen werden diskutiert. Ebenso findet der größte Treibhausgasemittent USA keine Linie.

Um bei den Verhandlungen für das Nachfolgeabkommen des Kyoto-Protokolls auch wirklich ein konkretes Angebot auf den Tisch legen zu können, braucht es zunächst einmal im eigenen Land eine Einigung über den Klimaschutz. Doch im Kongress stehen die Zeichen auf "Stopp". Die freie Marktwirtschaft stehe auf dem Spiel, wettern die Gegner der durchaus ehrgeizigen Pläne der US-Regierung.

Für die US-Regierung könnte die Klimakonferenz in Kopenhagen daher eine Blamage werden. Das wäre bezüglich Klimaschutzmaßnahmen jedoch nicht das erste Mal. Zwar ist der Klimaschutz mit Obama tatsächlich zu einem zentralen politischen Ziel geworden, allerdings muss auch jede internationale Verpflichtung von den zwei Kammern des Kongresses mitbeschlossen werden. Und dort ist man noch nicht einmal bereit, die nationale Vorlage zum Klimaschutzgesetz zu ratifizieren. Das Repräsentantenhaus hat die "Waxman-Markey-Bill" zwar abgesegnet, in der zweiten Kammer, dem Senat, ist die Umsetzung jedoch noch fraglich.

CO2-Handel spaltet die Gemüter

Der deutsche Energie-Konsulent Alexander Ochs, der in Washington das Worldwatch Institute leitet, hält eine Einigung im Kongress noch vor der Kopenhagener Konferenz für unrealistisch. "Mit ganz viel Glück" wird es aber zumindest eine Einigung der beiden Kammern geben, um den finalen Gesetzestext akkordieren zu können und zumindest wichtige Eckpunkte zu fixieren. Ein heftiger Streitpunkt ist etwa die Einführung eines Emissionshandelssystems in den USA, das ähnlich wie in Europa funktionieren soll.

Ein Grundprinzip eines solchen Zertifikatehandels ist es, Industriebetrieben eine gewisse Anzahl von freien CO2-Verschmutzungsrechten zuzugestehen. Wer mehr als die zugelassene Menge ausstößt, muss CO2-Zertifikate zukaufen. Ein Betrieb, der umweltfreundlichere Anlagen installiert hat, darf die überzähligen Verschmutzungsrechte verkaufen. Gegner - vor allem die Republikaner - sehen darin Strafzahlungen und einen ungehörigen Eingriff in die freie Marktwirtschaft.

Gerade für den Erfolg eines weltweiten Emissionshandels, wie ihn die EU anstrebt, wäre der Einstieg der USA attraktiv, meint Ochs. "Wenn die Amerikaner einsteigen, tritt ein 'economic powerhouse' in den Markt. Ökonomisch ist das für die Europäer natürlich interessant."

Blamage erstmals bereits in Kyoto

Je weiter man jedoch im Inland von einer Einigung zu CO2-Reduktionszielen entfernt ist, desto schwieriger wird die Verhandlungsposition der Amerikaner in Kopenhagen werden. Denn gerade die schmerzhafte Episode des Kyoto-Protokolls ist vielen noch als mahnendes Beispiel in Erinnerung. Dort hatten sich die USA zunächst für Klimaschutzziele ausgesprochen, "daheim" wurden diese vom Kongress allerdings abgelehnt.

Zwar haben die Demokraten die Mehrheit im Senat, allerdings steigt der Druck auf die Abgeordneten in ihren Heimatbezirken, den Emissionshandel zu blockieren. Dass im kommenden Jahr "Midterm-Elections" anstehen, bei denen sich die Wähler umgehend für ein falsches Votum rächen werden, verkompliziert die Situation zusätzlich.

Denn: Anders als etwa in Österreich unterliegen die Abgeordneten keinem Klubzwang und politische Meinungslagen in den unmittelbaren Wählerbezirken wiegen schwer. Dort wird auch vom politischen Gegner schonungslos gegen das Unwort "Emissionshandel" polemisiert. Obamas ambitionierte Energiepolitik hängt also ironischerweise von den eigenen Parteigängern ab.

Für die weltweiten Klimaverhandlungen bedeutet das vor allem eine weitere Blockade: Denn vor allem die USA und China sollten sich über die Verpflichtungen, die Industriestaaten und Schwellenländer tragen werden, endlich einig werden. Allerdings pochen die ärmeren Staaten unvermindert darauf, von den "reichen" Nationen konkrete Angebote zu bekommen. Ob ein solches von Amerika kommen wird, ist in der derzeitigen Situation noch fraglich.

Militär setzt auf solare Versorgung

Das Bewusstsein für das Problem Klimawandel ist in den USA jedenfalls vorhanden, auch auf ungewohnter Seite: So hat etwa das Militär ein vitales Interesse an der Materie entdeckt, wie Mike Signer vom Progressive Policy Institute betont. "Die innovativsten und dynamischsten Ansätze kommen derzeit vom Pentagon." Denn dort habe man die strategische Bedeutung einer Erwärmung des Planeten erkannt. Einerseits wegen zu erwartender Flüchtlingsströme, andererseits wegen praktischer Probleme "im Feld".

Dass man Armeezelte mit Solarenergie statt mit Spritaggregaten kühlen könnte, beflügelt die Fantasie der Militärs: Denn gerade im Irak hat sich gezeigt, dass Tank-Lkw ein beliebtes Ziel für Anschläge sind. Das mag aus europäischer Sicht ein abstraktes Problem sein, in einer kriegführenden Nation, in der Veteranen einen hohen Stellenwert haben, kann auch dies einen politischen Impact haben. Protestbekundungen wie jene von 150 Kriegsveteranen, die vor das Kapitol zogen, um den Slogan "Ich habe einen Freund sterben gesehen, als er einen Treibstoff-Konvoi bewachte", sind nur ein Signal für einen Meinungswandel im Land der unbegrenzten Möglichkeiten.

Netz soll effizienter gemacht werden

Obama jedenfalls misst den Erneuerbaren stark wachsende Bedeutung für die Energieversorgung der USA zu. Ers kürzlich gab er bekannt, dass mittelfristig 3,4 Mrd. Dollar in die Modernisierung des Elektrizitätsnetzes investiert werden sollen.

Mit dem Geld soll die Stromerzeugung effizienter gemacht und der wachsenden Nutzung von Wind-, Sonnen- und anderen regenerativen Energien gerecht werden. Außerdem verspricht sich die US-Regierung davon die Schaffung Zehntausender Arbeitsplätze, wie das Weiße Haus erklärte. Da sich die Industrie bereit erklärt habe, den staatlichen Ausgaben entsprechend ebenfalls zu investieren, könnten nun sogar mehr als 8 Mrd. Dollar in die Modernisierungsprojekte gesteckt werden.

Obama will jedoch Nägel mit Knöpfen machen. Er unterstrich nach einem Gespräch mit EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso, dass noch vor der Konferenz etwas unternommen werden müsse, um das Treffen zum Erfolg zu führen. Darüber herrsche Einigkeit Die USA und Europa müssten ihre Bemühungen um eine Einigung auf dem Kopenhagener Weltklimagipfels verstärken. Barroso erklärte, er sei nach der Unterredung mit Obama zuversichtlicher. Der muss aber trachten, dass er nicht von der Politik in seinem Heimatland überrollt wird.

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