Klimagipfel droht Debakel: Kein Abkommen

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Die dänischen Gastgeber beim Klimagipfel haben das Ziel eines umfassenden Klimaabkommens aufgegeben. Das meldeten die Zeitung "Berlingske Tidende" und der TV-Sender DR übereinstimmend unter Berufung auf Regierungskreise. Die Entscheidung, nur noch eine Schlusserklärung sowie Vereinbarungen zu Einzelfragen anzustreben, sei bereits nach dem Scheitern informeller Verhandlungen in der Nacht gefallen, hieß es bei "Berlingske Tidende" unter Berufung auf Kreise um Ministerpräsident Lars Lokke Rasmussen.

Alle Verhandlungen waren in der Nacht auf den 17. Dezember ergebnislos abgebrochen worden. Als wahrscheinlich gilt nun, dass die etwa 120 erwarteten Staats- und Regierungschefs nur noch über eine Schlusserklärung verhandeln. Aus Dänemarks Delegation verlautete gegenüber Kopenhagener Medien, dass alle Anläufe zu Kompromissen und Verhandlungsfortschritten gescheitert seien. Allerdings berichtete die Nachrichtenagentur Ritzau ebenfalls unter Berufung auf Regierungskreise, dass möglicherweise am Nachmittag (17. Dezember) doch noch der Entwurf für einen Vertragstext vorgelegt werden könne. Nach Angaben des TV-Senders DR soll den wichtigen Schwellenländern wie China, Indien, Brasilien und Südafrika ein "Ultimatum" gestellt werden.

Hinter den Kulissen macht auch die EU Druck, möglichst schnell den seit dem Wochenende angekündigten Entwurf für einen Vertragstext vorzulegen. Aus diplomatischen Kreisen hieß es: "Die Voraussetzungen für einen Vertrag sind da, aber ohne funktionierende Verhandlungen kann es nicht weitergehen."

Merkel glaubt an konstruktives Ende

Unterdessen hofft die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel, dass ein Scheitern des UNO-Klimagipfels noch verhindert werden kann. Merkel sagte im Bundestag, es müsse eine verbindliche Festlegung auf eine Begrenzung der Erderwärmung geben. In einer Regierungserklärung unterstrich Merkel, dieser Anstieg müsse verpflichtend für alle auf zwei Grad beschränkt werden, sonst sei der Gipfel kein Erfolg.

Wenn jetzt nicht gehandelt werde, "riskieren wir dramatische Schäden". Die deutsche Kanzlerin betonte: "Keiner wird davon verschont sein." Es werde viel darüber gesprochen, was der Klimaschutz koste, zu wenig aber darüber, was das Nicht-Handeln koste. Die Regierungschefin bekräftigte, dass die Industrieländer handeln müssten. Aber auch die Schwellenländer seien gefordert.

Kopenhagen wird zur Farce

Nach dem ergebnislosen Abbruch nächtlicher Verhandlungen in der dänischen Hauptstadt sagte zudem ein Delegationsmitglied der schwedischen Ratspräsidentschaft am 17. Dezember: "Es sieht nicht gut aus. Wir sind immer noch bei Verfahrensfragen."

Der britische Energieminister Ed Miliband wurde im dänischen Rundfunk mit dem Satz zitiert: "Kopenhagen droht zu einer Farce zu werden." Der norwegische Ministerpräsident Jens Stoltenberg meinte: "Ich bin beunruhigt, weil es noch zu viele ungelöste Fragen gibt. Bedeutet das ein schwaches Abkommen, muss man dazu vielleicht besser Nein sagen."

Auch Chinas Klima-Chefunterhändler Su Wei stellte den erfolgreichen Abschluss des Gipfels wegen fehlender Verhandlungsfortschritte infrage. Er sagte der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua zur Absicht der dänischen Gastgeber, im Tagesverlauf einen neuen Vertragsentwurf für ein Klimaschutzabkommen zu präsentieren: "Man kann nicht einfach einen aus der Luft gegriffenen Text vorlegen."    

China und Brasilien verweigern

Nach anderen Medienangaben hält Peking inzwischen ein "operatives Abkommen" bis zum Konferenzabschluss für weitgehend ausgeschlossen. Es sei jetzt nur noch eine "kurze Schlusserklärung" der 192 Staaten denkbar, hieß es weiter. In der Nacht hatten China und Brasilien informelle Verhandlungen unter den maßgeblichen Ländern verweigert.

Vor allem aus Entwicklungsländern wurde zugleich scharfe Kritik an den dänischen Gipfelgastgebern geübt. Sprecher der Gruppe G77 mit mehr als 130 Mitglieder erklärten, man fühle sich übergangen. Große Erbitterung herrschte in mehreren der großen Länder-Gruppen darüber, dass der komplette Mittwoch mit der Diskussion von Verfahrensfragen ohne substanzielle Gespräche vertan worden sei.    

Der deutsche Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) sieht eine Schlüsselrolle Deutschlands bei den festgefahrenen Verhandlungen. Er sagte im ZDF-"Morgenmagazin": "Wir sind Vorreiter und jetzt auch Brückenbauer in einer Krisensituation, in die diese Konferenz geraten ist." Deutschland werde auch von Schwellenländern akzeptiert. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) könne eine wichtige Aufgabe übernehmen, sagte Röttgen. "Wir müssen versuchen, die Blockade aufzubrechen."

Deutschland kritisiert China

Röttgen übte deutliche Kritik an China. Peking verweigere derzeit die konkrete Sachverhandlung. "Wir müssen helfen, dass sich Entwicklungsländer dieser Haltung nicht anschließen." Der gesamten gestrige Tag sei wegen der chinesischen Verweigerungshaltung "verloren gegangen", kritisierte Röttgen. Die dänischen Gastgeber konnten weniger als 48 Stunden vor dem geplanten Abschluss am Freitag immer noch keinen neuen Entwurf für ein Klimaschutzabkommen vorlegen.

Der indische Premierminister kündigte beim Abflug von Delhi nach Kopenhagen an, dass er bei den Gesprächen mit etwa 120 Amtskollegen weitergehende Vorschläge als bisher unterbreiten werde. Japan will bis 2012 insgesamt 15 Milliarden US-Dollar (10,4 Mrd Euro) zum internationalen Klima-Fonds für Entwicklungsländer beisteuern. Das kündigte Umweltminister Sakihito Ozawa in Kopenhagen an. Damit ist der japanische Beitrag zu dem Fonds deutlich gestiegen - noch am Vortag war in Tokio von 6,9 Milliarden Euro gesprochen worden.

Am Donnerstag werden bei der UN-Konferenz auch US-Außenministerin Hillary Clinton erwartet. Kanzlerin Merkel hatte in Berlin erklärt, auch sie werde angesichts des schleppenden Verhandlungsgangs in Dänemarks Hauptstadt nervös. Sie forderte vor allem die USA zu verstärkten Beiträgen für den Klimaschutz auf. US-Präsident Barack Obama will erst am Freitag, dem Abschlusstag des fast zweiwöchigen Marathon-Treffens nach Kopenhagen fliegen.

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