Scharfe Kritik an dänischen Klima-Vorschlägen

Teilen

Am 2. Tag des Kopenhagener Weltklimagipfels haben die Entwicklungsländer das Feilschen um die künftigen Klimaziele offiziell eröffnet. Sie übten heftige Kritik an einem Verhandlungspapier des Gastgeberlandes Dänemark, das offenbar den Interessen der Industriestaaten entgegenkommt. Der Vorschlag "bedroht den Erfolg der Verhandlungen", kritisierte die Gruppe der 77 (G-77), ein loser Zusammenschluss von 130 Entwicklungsländern. Mehr Engagement der Industriestaaten forderten auch die aufstrebenden Schwellenländer China und Brasilien.

Die Entwicklungsländer würden keiner "unausgewogenen Einigung" zustimmen, sagte der sudanesische Delegationschef und derzeitige G-77-Leiter Lumumba Stanislas Dia-Ping. "Wir können keinem Abkommen zustimmen, das 80 % der Weltbevölkerung zu weiterem Leid und Ungerechtigkeit verurteilt." Zugleich machte er aber deutlich, dass die G-77 den Verhandlungstisch nicht verlassen würden. "Wir können es uns nicht leisten, dass Kopenhagen scheitert."

Der dänische Vorschlag enthält nur Langfrist-Ziele bis 2050. Bis dahin soll der Treibhausgas-Ausstoß weltweit um 50 % im Vergleich zu 1990 reduziert werden. Die Industriestaaten sollen ihre Emissionen um 80 % senken. In dem Papier finden sich keine mittelfristigen Reduktionsziele (bis 2020), die nach dem Auslaufens des Kyoto-Klimaschutzprotokolls im Jahr 2012 benötigt werden. Die Dänen machen auch keine langfristigen Zusagen hinsichtlich der von den Entwicklungsländern geforderten Ausgleichszahlungen zur Modernisierung.

Chinesen urteilen hart

Der chinesische Verhandlungsführer Su Wei warf den Industrieländern vor, ihre "historische Verantwortung" für den Klimawandel nicht anzuerkennen. "Die Emissionen der USA steigen noch immer, obwohl das Land schon lange voll industrialisiert ist", wies er Forderungen nach einer Drosselung der chinesischen CO2-Emissionen zurück.
Der EU - sie hat mit 30 % das ambitionierteste Ziel der Industriestaaten - warf Su vor, ab 2013 hinter die bisherige Reduktionsrate zurückzufallen. Auch das japanische Ziel einer Reduktion von 25 % sei nicht ausreichend, und das US-amerikanische von 17 % nicht einmal der Rede wert. Zu den bisher diskutierten Ausgleichszahlungen von 10 Mrd. Dollar für die Entwicklungsländer sagte Su, das seien nicht einmal 2 Dollar pro Person. "Dafür kann man sich in Kopenhagen nicht einmal eine Tasse Kaffee kaufen".

Der brasilianische Delegationsleiter Sergio Serra betonte, dass sein Land den langfristigen Reduktionszielen nur zustimmen werde, wenn sich die Industriestaaten auf eine deutliche Reduktion ihrer eigenen Emissionen bis 2020 verpflichten. Das Langfrist-Ziel habe nur einen Sinn, wenn es zugleich "starke" mittelfristige Reduktionsziele für die derzeitigen großen Verschmutzer gebe, argumentierte Serra.

Umweltorganisationen kritisierten den dänischen Entwurf als zu unverbindlich. UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon äußerte sich dennoch optimistisch über die Einigungschancen beim Kopenhagener Gipfel. Bei den Verhandlungen gebe es nämlich einen noch nie dagewesenen Schwung, sagte er in New York. Er sei optimistisch, dass in den nächsten beiden Wochen ein robustes Abkommen erreicht werden könne, das auch sofort umgesetzt werde. Ab 15.12. wollen die Staats- und Regierungschefs an den Kopenhagener Verhandlungen teilnehmen.

Klimagipfel: Appelle, Geplänkel, neue Daten

In den USA stufte die mächtige Umweltbehörde EPA plötzlich Treibhausgase offiziell als "gesundheitsschädlich" ein. Theoretisch könnte die EPA-Entscheidung es Obama ermöglichen, Klimaschutz-Bestimmungen in Kraft zu setzen, die das Abgeordnetenhaus bereits verabschiedet hat, der Senat bisher aber nicht. Dort hängt die entsprechende Gesetzesvorlage seit längerem fest, und ein Votum wird nicht vor dem Frühjahr erwartet. Obama hat aber bereits erklärt, dass er nicht am Kongress vorbei handeln wolle.

UNO-Klimachef de Boer wies auf die Dringlichkeit einer Einigung hin: "Die Uhr ist abgelaufen." Der Chef des Weltklimarates, Rajendra Pachauri, untermauerte diesen Appell mit wissenschaftlichen Daten. Im 20. Jahrhundert sei die Durchschnittstemperatur bereits um 0,74 °C gestiegen, der Meeresspiegel um 17 cm. Sollte das Grönland-Eis schmelzen, könnte er um 7 m klettern. Daher müsse die Erderwärmung auf 2-2,4 °C begrenzt werden.

Die Konferenz ringt auch um ausreichende Finanzzusagen, damit sich Entwicklungsländer an den Klimawandel anpassen können, und technische Hilfen für eine klimafreundliche Entwicklung. Zudem wird vorgeschlagen, dass Länder mit großen Urwaldgebieten Geld für deren Schutz erhalten. In Brüssel verlautete aus Diplomatenkreisen, dass die EU 7 Mrd. Euro als Soforthilfe für die Entwicklungsländer auf den Tisch legen könnte. Die deutsche Kanzlerin Merkel forderte aber im Gegenzug auch mehr Anstrengungen dieser Staaten bei der Eindämmung der Treibhausgas-Emissionen. "Insbesondere Länder wie China und Indien" müssten "noch zulegen".

Schlechte Nachricht von den Meteorologen (Welt-Meteorologen-Vereinigung WMO): Das zu Ende gehende erste Jahrzehnt des neuen Jahrtausends ist Messungen zufolge aller Voraussicht nach das wärmste seit Beginn detaillierter Messungen (etwa ab 1850) - wärmer auch als die 1980er- und die 1990er-Jahre. 2009 dürfte das fünft wärmste Jahr seit Beginn der Messungen werden.

Gleichzeitig zeigt sich laut einer Studie von Munich Re (1990 bis 2008), sehr arme Länder wie Bangladesch, Burma, Jemen, Vietnam und die Philippinen besonders stark durch Naturkatastrophen betroffen sind. Frankreichs Außenminister Bernard Kouchner sprach sich für eine "Tobin-Steuer" von 0,005 % auf Finanztransaktionen weltweit aus, um Geld für den Klimaschutz in den Entwicklungsländern aufzutreiben.

Einer BBC-Umfrage zufolge sieht eine deutliche Mehrheit der Menschen weltweit die Erderwärmung als wichtiges Thema, dem sich die Regierungen annehmen müssen. Die in 23 Ländern erhobenen Daten zeigen, das 64 % der Befragten den Klimawandel als "ernstes Problem" ansehen. 1998 waren demnach nur 44 % dieser Ansicht. In einem gemeinsamen Kommentar von über 50 Zeitungen in Europa, Afrika, Asien und Amerika hieß es, der Wandel hin zu einer umweltschonenderen Gesellschaft werde viel Geld kosten, aber viel weniger als die Rettungsaktionen für die Banken.

Positiv schneidet offenbar Wien in seiner Ökobilanz ab. In einer von Siemens präsentierten Untersuchung ist in Europa Kopenhagen die umweltschonendste Metropole, dann folgen, Stockholm, Oslo, Wien und Amsterdam. Auf der anderen Seite erhielt Österreich gemeinsam mit Schweden und Finnland am ersten Gipfeltag einen "Negativpreis" von mehreren hundert Umweltorganisationen, weil es eine gemeinsame Position der EU-Staaten für die Anrechnung von Wald als Klimaschutz blockiert habe. Der "Fossil of the Day"-Preis wird laut den Organisatoren in der Form eines dampfenden Topfes mit darin "kochender" Weltkugel den jeweiligen Botschaften der betroffenen Länder in Berlin überreicht.

Fehler im Artikel gefunden? Jetzt melden.