Treibhausgase: Noch weiter Weg zum Kyoto-Ziel

Teilen

"Wir haben einen Abwärtstrend, erreichen Kyoto aber nicht", kommentiert Umweltminister Berlakovich die Treibhausgas-Bilanz. Die Emissionen betrugen in Österreich 2008 insgesamt 86,6 Mio. t CO2-Äquivalente (2007: 88 Mio.). Vom angestrebten Kyotoziel liegt Österreich damit in absoluten Zahlen 17,9 Mio. t entfernt. Rechnet man den Zukauf von Verschmutzungsrechten und Maßnahmen wie Aufforstungen ab, bleibt ein Loch von 6,9 Mio. t zur Zielerreichung.

2008 war das erste Jahr, in dem der fünfjährige Verpflichtungszeitraum für das Kyoto-Protokoll begonnen hat. Der Rückgang ist darin - im Vergleich zu 2007 - eher bescheiden ausgefallen. Die meisten Reduktionen wurden 2008 im Energieaufbringungs- und Verkehrssektor erzielt. Letzterer verzeichnete gleichzeitig seit dem Jahr 1990 den größten Anstieg an CO2-Emissionen (1990 bis 2008: plus 60,8 Prozent). Den Rückgang im Jahr 2008 um 1,3 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente führte Umweltminister Berlakovich auf die höheren Spritpreise und den vermehrten Einsatz von Biotreibstoff zurück. Dennoch liegt der Verkehrsbereich noch 3,7 Millionen Tonnen über den Zielen der heimischen Klimastrategie.

Die Industrie hatte 2008 den größten Anteil an den Gesamt-Emissionen. Ihr Beitrag zur Luftverschmutzung hat wiederum leicht zugenommen. 2008 wurde um 24,1 Prozent mehr CO2 emittiert als 1990, damit lag die Industrie um 2,4 Tonnen über dem Zielwert. Das führte der Geschäftsführer des Umweltbundesamtes, Georg Rebernig, auf "den Anstieg der Produktion und Wertschöpfung zurück". Einen leichten Anstieg gegenüber 2007 gab es auch beim Sektor Raumwärme. Dieser sei laut Rebernig auf kältere Temperaturen und mehr Heiztage zurückzuführen.

Damit Österreich bis 2012 seine Treibhausgas-Emissionen von 2008 bis 2012 von 86,6 auf 68,8 Mio. t reduzieren kann, werden über "grüne" Investitionen Verschmutzungsrechte, die eine Einsparung von 9 Mio. t bewirken, zugekauft (aus sogenannten "JI/CDM"-Programmen). Durch Aufforstung spare man weitere 0,7 Mio. t und durch Emissionshandel 1,2 Mio. t CO2-Äquivalente ein.

"Wir erreichen das Kyoto-Ziel nicht, haben aber viele Maßnahmen gesetzt, damit die Emissionen sinken", sagte Berlakovich. Diesen Weg wolle man fortsetzen, u.a. mit einer Steigerung der Aktivitäten beim Klimaschutzgesetz oder dem stärkeren Einsatz von Biokraftstoffen oder erneuerbaren Energien. "Ich sehe den Klimawandel als Bedrohung, den Klimaschutz als Chance", so der Minister.

Viel Schelte, wenig Lob

Kritische Stimmen wurden in den Reaktionen an der von Umweltminister Berlakovich präsentierten Treibhausgas-Bilanz 2008 laut. "Die heute vom Landwirtschaftsminister vorgelegte Klimabilanz für das Jahr 2008 legt die drastischen Versäumnisse der vergangenen Jahre in der Klimapolitik offen", sagte Christoph Streissler, Klimaexperte der AK. Von Fortschritten im Verkehrsbereich sprachen lediglich die Autofahrerclubs ÖAMTC und ARBÖ.

Die Klimabilanz zeige laut AK deutlich, dass im Verkehr dringender Handlungsbedarf besteht: Seit 1990 sind dort die Emissionen um 61 % gestiegen. Effizienter Energieeinsatz im Verkehr bedeute, den Transport von Personen und Gütern auf der Schiene massiv auszubauen, unter anderem durch Verbesserungen des Öffentlichen Personen-Nahverkehrs. Auch im Bereich der Raumwärme bestehen nach Ansicht der AK enorme Potenziale: Die Wärmedämmung von Gebäuden müsse rasch vorangetrieben und die bisher verlorene Abwärme von Industrie- und Energieanlagen für die Fernwärmeversorgung eingesetzt werden.

Für die Grüne Umweltsprecherin Christiane Brunner offenbarte die Treibhausgas-Bilanz "den verantwortungslosen Stillstand in der Klimapolitik der Bundesregierung". "Solche Zahlen schönzureden ist eigentlich unmöglich. Dass der Umweltminister dies heute früh doch versucht hat, kann ich mir eigentlich nur mit Realitätsverlust erklären."

Stagnation auf "blamablem Niveau"

Greenpeace sprach in einer Aussendung von einer Stagnation auf "blamablem Niveau". "Da wir bereits in der Kyoto-Periode angekommen sind, kostet jede Tonne CO2 Geld. Das Scheitern der österreichischen Klimapolitik im letzten Jahrzehnt kommt den österreichischen Steuerzahler teuer zu stehen", kritisierte Greenpeace-Sprecher Niklas Schinerl. "Derzeit ist Österreich die Billigtankstelle Europas, was uns nicht nur eine Lkw-Lawine beschert, sondern auch unsere Klimabilanz massiv verschlechtert."

Ein unverzügliches gemeinsames Handeln von Bund und Ländern für ein fortschrittliches Klimaschutzgesetz forderte Manuel Graf, Klimasprecher der Umweltorganisation Global 2000. "Der Zukauf von Verschmutzungsrechten ist der falsche Weg: Wenig Klimaschutz wird mit viel Steuergeld erkauft, ohne langfristige Wirkung und ohne dass Österreich vom Zukunftsmarkt Klimaschutz profitiert."

Nach Auffassung des Umweltdachverbandes hat die heimische Klimapolitik versagt. "Jetzt müssen rasch Taten folgen: Wir brauchen endlich ein funktionierendes Ökostrom-Förderregime, wie es mittlerweile in Europa Standard ist", forderte Michael Proschek-Hauptmann, Geschäftsführer des Umweltdachverbandes.

Autofahrerclubs sehen Fortschritte

Von Fortschritten im Verkehrsbereich sprachen lediglich die Autofahrerclubs. Laut ARBÖ sind die Autofahrer im Jahr 2008 im Marathonlauf zum Kioto-Ziel gut gestartet. Der Verkehr zähle zu jenen Bereichen, die am meisten zur Reduktion der Treibhausgas-Emissionen beigetragen haben. Außerdem zeigen dem Club zufolge Statistiken, dass die Österreicher deutlich weniger gefahren sind und deutlich mehr spritsparende Kleinautos gekauft haben.

Laut ÖAMTC liege Österreichs Verkehr gar auf Kyoto-Kurs, wenn man den Anteil des Tanktourismus aus der Bilanz herausrechne, war Mario Rohracher, Chef der Interessensvertretung, überzeugt. Dem Verkehr werden 22,6 Mio. t zugeordnet, davon stammen 25 % aus dem Tanktourismus. Das Argument, höhere Spritpreise würden automatisch zu geringerem Kraftstoffverbrauch führen, wies Rohracher als Wunschdenken zurück.

Studien würden zeigen, dass die Konsumenten auf Spritpreis-Steigerungen unelastisch reagieren. "Solange gleichwertige Angebote und attraktive Anreize zum Umstieg auf andere Verkehrsmittel fehlen, ist das Auto in vielen Fällen eben die einzige realistische Alternative", sagte Rohracher.

Fehler im Artikel gefunden? Jetzt melden.