Europäischer Diabetes-Kongress hat begonnen

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In Wien begann der Europäische Diabetes-Kongress (bis 2.10.). 2007 gab es weltweit 246,4 Mio. Zuckerkranke - 2025 werden 380,4 Mio. befürchtet.

In Österreich sind es rund 600.000 Patienten, die Tendenz ist stark steigend. In Wien geht es bei der Konferenz mit rund 18.000 Teilnehmern um brandaktuelle Themen: Diabetes und Krebs, die optimale Blutzuckereinstellung, Zuckerkrankheit und psychische Leiden.

Der britische Experte Richard Holt bei einer Pressekonferenz: "Menschen mit schweren psychiatrischen Erkrankungen wie Schizophrenie oder manisch-depressiven Zustandsbildern haben ein enorm vergrößertes Risiko für Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Sie sterben 10 bis 20 Jahre früher als die Durchschnittsbevölkerung. Während in der normalen Bevölkerung 20 Prozent der Diabetes-Fälle nicht diagnostiziert sind, sind es unter psychisch Kranken 70 %. Auch die Früherkennung von Stoffwechsel- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen sollte bei diesen Personen viel früher erfolgen."

Psychisch Kranke leiden zwei- bis dreimal häufiger an Typ-2-Diabetes (früher "Altersdiabetes"). Das wiederum bedingt ein drastisch erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Oft weisen Menschen mit psychischen Problemen auch einen extrem ungesunden Lebensstil auf. Sie rauchen mehr und ernähren sich ungesünder.

Die europäischen Diabetologen, Psychiater und Kardiologen wollen daher über Richtlinien zur besseren Betreuung von Betroffenen helfen, diese Risiken zurückzudrängen. Bei derzeit in Europa rund 53,2 Zuckerkranken und der Häufigkeit von psychiatrischen Leiden, kommt man hier wahrscheinlich auf eine hohe Anzahl von Risikopersonen.

Das zweite heiße Thema: Diabetes und Krebs. Für die Experten ist es bereits eine Tatsache, dass nach heutigem Wissen der Diabetes und Krebs etwas miteinander zu tun haben. Die Frage ist, ob hier auch die Insulintherapie zu einer erhöhten ... Frage beiträgt. Eine von der europäischen Diabetes-Forschungsgesellschaft (EASD) organisierte Studie hat Hinweise dafür erbracht, dass ein lang wirksames Insulin-Analogon eventuell die Krebsrate von Patienten etwas erhöhen könnte. Andere Untersuchungen zeigten ein unklares Bild. Die europäische Arzneimittelagentur EMEA sah hier aber bezüglich eines Medikaments ("Lantus") bisher keinen Handlungsbedarf.

Der dritte Streitpunkt unter den Diabetologen: die optimale Blutzuckereinstellung, zum Beispiel bei Hochbetagten. Hier hat sich aus neueren Studien ergeben, dass eine sehr niedrige Blutzuckereinstellung entgegen den Erwartungen die Häufigkeit von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Todesfällen nicht reduziert, sondern sogar erhöht.

Altersangepasste Therapie

Da sind viele Diabetologen, Internisten und Allgemeinmediziner womöglich einer "Mär'" aufgesessen: Einige Jahre lang galt, dass eine möglichst strikte Blutzuckerkontrolle für Diabetiker am besten wäre. Doch neue Studien zeigen, dass dies altersabhängig ist, hieß es am Mittwoch beim Europäischen Diabetes-Kongress in Wien.

Laut den Fachleuten sollte der mittelfristig aussagekräftige Messwert für den Blutzucker bei annähernd jenen von Gesunden liegen, beim sogenannten HbA1c-Wert etwa ein Wert von 6. Man wollte dadurch Spätkomplikationen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Netzhaut-, Nieren- und Nervenschäden verhindern. Expertin Andrea Siebenhofer-Kroitzsch (Graz): "Bei jungen Typ-1-Diabetikern funktioniert das. Auch bei Menschen, die frühzeitig Typ-2-Diabetes entwickeln. Doch die meisten Typ-2-Diabetiker erkranken erst mit 70 und mehr Jahren."

Hier gab es seit vergangenem Jahr Aufregung durch die US-ACCORD-Studie. Die Diabetologin: "Da zeigte sich bei den Patienten mit den tiefsten Blutzuckerwerten gar eine um 22 Prozent erhöhte Mortalität." Beim Europäischen Diabetes-Kongress stellt Andrea Siebenhofer-Kroitzsch eine Meta-Analyse von sieben großen Studien zu diesem Thema vor. Die Expertin: "Es zeigt sich, dass bei den Patienten mit tiefer Blutzuckereinstellung die Rate der Unterzuckerungs-Episoden drastisch anstieg."

Keine Frage: Jüngere Diabetiker sollten mit ihren Blutzuckerwerten möglichst tief eingestellt werden. Bei Hochbetagten ist das nicht mehr derartig notwendig. "Da bringen eine optimale Blutdruckkontrolle und die Kontrolle des Cholesterinspiegels mehr", so die Diabetologin.

Publikumsaktion beim Burgtheater

Ein "Diabetes-Dorf" gibt es beim Wiener Burgtheater. Am Rande des Europäischen Diabetes-Kongresses in Wien mit rund 18.000 Experten als Teilnehmer findet die laut ihren Proponenten größte Diabetes-Vorsorge-Aktion Österreichs der vergangenen 10 Jahre statt. In den Zelten gibt es vier Tage lang ein buntes Programm: Von Kochshows mit den TV-Köchen Andi & Alex über Kinderaktivitäten mit den CliniClowns bis zu Gratisgesundheitschecks.

Eröffnet wurde das "Diabetes Dorf", das vom Pharmaunternehmen Novo Nordisk gesponsert wird, am Mittwoch mit einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely (S) und unter anderen dem Präsidenten der Österreichischen Diabetes-Gesellschaft (ÖDG), Dr. Bernhard Ludvik. Der Appell: "Nur breite Aufklärung und rechtzeitige Vorsorge können der Volkskrankheit Nr. 1 (Diabetes, Anm.) Einhalt gebieten!".

In Wien können sich Diabetes-Patienten auf ein dichtes Versorgungsnetz verlassen. Neben fünf Spezialambulanzen in den städtischen Spitälern läuft in Kooperation mit der Wiener Gebietskrankenkasse das erfolgreiche Programm "Therapie Aktiv" im niedergelassenen Bereich. Speziell geschulte Allgemeinmediziner und Internisten übernehmen die langfristige Behandlung von Patienten. "Die Kombination dieser Versorgungsangebote ermöglicht, dass alle Patienten genau jene Behandlung bekommen, die sie auch tatsächlich brauchen", betonte Wehsely.

Ludvik: "Wir müssen unsere Einstellung gegenüber der Volkskrankheit Nr. 1 ändern. Mit gezielten Aktionen wie der Initiative 'Diabetes verändern' können wir die Menschen erreichen und dafür sorgen, dass diese Krankheit nicht mehr länger ignoriert wird."

Studien haben gezeigt, dass durch eine optimale, individualisierte Behandlung von Diabetes die Sterberate halbiert werden kann." Sämtliche Folgeerkrankungen wie Blindheit, Amputationen, Nierenerkrankungen und Nervenschädigungen sind durch rechtzeitige Prävention und richtige Behandlung zu verhindern. Besondere Sorgen macht aber, dass der Typ-2-Diabetes (ehemals "Altersdiabetes") vor allem wegen der Zunahme der Rate der Übergewichtigen und Fettsüchtigen derzeit weltweit dramatisch zunimmt. In Österreich dürfte es rund 600.000 Diabetiker geben. Etwa die Hälfte dürfte von ihrer Erkrankung nichts wissen.

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