Medizintechniksparte wird für Siemens zur Baustelle

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Von der Ertragsperle zur Baustelle: Viele Jahre bescherte die Medizintechniksparte Siemens Milliardengewinne und stellte Rivalen wie General Electric und Philips in den Schatten. Doch in den vergangenen Jahren häuften sich die Probleme - Konkurrenten holten auf, Zulieferer mussten gerettet werden und obendrein sorgten Personalrochaden für Sand im Getriebe.

Für großen Aufruhr sorgte zuletzt die Verkaufspläne für die Hörgeräte-Tochter SAT. Nachdem die Gebote von Finanzinvestoren Kreisen zufolge deutlich unter den geforderten 2 Mrd. Euro blieben, blies der Konzern die anvisierte Veräußerung nun ab.

Dadurch ist Siemens nun gezwungen, die Sparte in Eigenregie wieder konkurrenzfähig zu machen, wofür intern rund 600 Mio. Euro veranschlagt werden. Zuletzt machte Siemens Audiologische Technik (SAT) die Konkurrenz durch den Schweizer Rivalen Sonova verstärkt zu schaffen.

Die Verkaufspläne, die bei den Mitarbeitern Proteste hervorriefen, wurden Insidern zufolge vor allem von Medizintechnik-Chef Hermann Requardt vorangetrieben. Er habe die Hörgerätsparte trotz beträchtlicher Gewinne losschlagen wollen, da sie mit dem Rest der Medizintechnik wenig zu tun hatte.

Sparte OCS unter Druck

Auch die Krebstherapiesparte OCS steht wegen massiver Probleme mit neuartigen Partikeltherapiesystemen unter Druck. Zudem kämpfte Siemens in der Sparte mit hohen Rückstellungen und musste einen Zulieferer aus der Insolvenz retteten.

Die Turbulenzen führten dazu, dass die Partikeltherapie nach dem Verkauf von 4 Anlagen auf neue Projekte verzichten musste, bis vor kurzem wurde sogar über eine Ausgliederung des gesamten Geschäfts mit Krebstherapiegeräten diskutiert. Am Ende entschieden sich die Münchner aber - wie bei SAT - für eine Sanierung in Eigenregie. Insidern zufolge muss Siemens dafür rund 100 Mio. Euro in die Hand nehmen.

Nach den Problemen bei Zulieferern fürchten Insider nun den Sparkurs der gesamten Medizintechnik-Sparte. Einkaufschefin Barbara Kux hat dem Bereich ein ehrgeiziges Einsparziel von rund 15 % verordnet, wie mehrere mit der Situation vertraute Personen erklärten. Im Rahmen des bisherigen Sparkurses verkaufte Siemens unter anderem einen Zulieferer an eine Investorengruppe, die die Produktion umgehend nach Tschechien verlegte. In der Folge kam es zu Streiks bei dem Zulieferer und die Auslieferung von Computertomographen stand still.

Verlegung gestoppt

Um eine Verlegung kam die Medizintechniksparte 2008 selbst gerade noch herum. Requardts Vorgänger Jim Reid-Anderson wollte den Bereich nach den Zukäufen von US-Labordiagnostikanbietern gleich ganz aus Amerika steuern. Erst im Aufsichtsrat wurde der Plan gestoppt, und Reid-Anderson nahm seinen Hut. Der gebürtigen Brite war im Zuge der Siemens-Einkaufstour in den USA an Bord gekommen, als sich die Münchener mit Dade Behring, Bayer Diagnostics und DPC ihre Labordiagnostik zusammengekauft haben.

Der frühere Siemens-Chef Klaus Kleinfeld und der einstige Medizintechnik-Chef Erich Reinhardt hatten sich die Erweiterung des Angebots insgesamt fast 11 Mrd. Euro kosten lassen. Nun macht sich in den Führungszirkeln von Siemens trotz guter Renditen die Auffassung breit: Der Preis war zu hoch.

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