Die Lunte am Pulverfass Bosnien glimmt

Teilen

Knapp 1,5 Jahrzehnte nach dem Ende des Bürgerkrieges (1992-1995) in Bosnien-Herzegowina glimmt wieder die Lunte am Pulverfass. Die vielen ungelösten Probleme zwischen Muslimen, Serben und Kroaten drohen einmal mehr, eine Explosion der Gewalt auszulösen. Die Alarmzeichen mehren sich. Zuletzt hatten die EU-Außenminister vor einem Auseinanderbrechen des Staates gewarnt.

Der internationale Bosnien-Beauftragte, der österreichische Diplomat Valentin Inzko, hat in dieser Woche im Europaparlament und im Deutschen Bundestag noch einmal auf den Krisenstaat hingewiesen. Die EU müsse größere Anstrengungen unternehmen, um die zerstrittenen drei Völker von ihrem Weg in den offenen Konflikt abzuhalten. "Stillstand" und "Pattsituation" herrschten, weil seit Jahren nicht eine einzige Reform zustande kam.

Die Serben aus der einen Landeshälfte haben zur Attacke geblasen. Sie wollen den internationalen Bosnien-Aufseher, der fast unbegrenzte Macht ausübt, in seinen Rechten beschneiden und dann ganz nach Hause schicken. Dazu wird in diesem Frühjahr ein Referendum abgehalten. Das ist die Generalprobe für eine Volksabstimmung über die Abspaltung. Ein solches Referendum "kommt ganz sicher auf die Tagesordnung", drohte der serbische Regierungschef Milorad Dodik.

"Bosnien ist ein Monsterstaat, ein imaginäres Land, das von der internationalen Gemeinschaft mit Gewalt am Leben erhalten wird." So begründet Dodik seine Ziele. Und er weiß, dass der Auslandsbeauftragte Inzko ihn zwar formell absetzen, doch einen solchen Beschluss niemals durchsetzen könnte. "Was wollen die denn machen? Panzer auffahren und mir verbieten, das Regierungsgebäude zu betreten?", bespöttelte Dodik die Machtlosigkeit Inzkos.

Doch auch die Kroaten, die gemeinsam mit der muslimischen Bevölkerungsmehrheit die zweite Landeshälfte regieren, sind unzufrieden. Sie wollen einen neuen Friedensvertrag, in dem sie einen eigenständigen Landesteil zugesprochen bekommen. Die Muslime wittern existenzielle Gefahr. Serben und Kroaten wollten "ihre Kriegsziele erreichen und uns vernichten", sagte der Mufti der Stadt Mostar, Seid Smajkic, der Zeitung "Avaz".

Trotz der vielen Milliarden Euro Hilfe und tausender ausländischer Experten lebt das Land in bitterer Armut. Es gibt fast keine Investitionen. Mehr als die Hälfte des Staatshaushaltes wird von der Verwaltung aufgefressen. Alles ist blockiert: die Regierung, die Obersten Gerichte, viele Gemeinden. Den Spitzenpolitikern gefalle dieser Zustand, meinen westliche Diplomaten in Sarajevo. So könnten sie ihren oft zwielichtigen privaten Geschäften nachgehen, ohne zur Verantwortung gezogen zu werden.

Fehler im Artikel gefunden? Jetzt melden.