EZB-Daten zeigen zunehmende Kreditprobleme

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Die Kreditprobleme in den Ländern der Europäischen Währungsunion nehmen zu und gefährden zunehmend eine Erholung der Wirtschaft von der Krise. Wie aus am 27. August veröffentlichten Daten der Europäischen Zentralbank (EZB) hervorgeht, wuchs die Kreditvergabe der Banken in den 16 Euroländern im Juli aufs Jahr hochgerechnet so langsam wie noch nie, nämlich nur noch um 0,6 Prozent.

Im Juni hatte das Plus noch 1,5 Prozent betragen, im Mai 1,8 Prozent. Auch Analysten wurden von dem abermaligen Rückgang des Wachstums in dieser Größenordnung überrascht. Fachleute hatten mit einem Wachstum von 1,3 Prozent gerechnet. Auf Monatsbasis sank die Kreditsumme den sechsten Monat in Folge. Von einer Kreditklemme wollten Fachleute aber dennoch nicht reden.

WestLB-Chefökonom Holger Sandte sprach allerdings von "schlechten Nachrichten für die Wirtschaft". Dass die Kreditvergabe weiter sinke, sei ein Beweis für die nach wie vor angespannte Lage des Bankensektors. "Während wir auf der einen Seite positive Konjunkturdaten wie zum Beispiel den ifo-Index bekommen, gibt es im Hintergrund weiter Probleme bei den Banken." Ähnlich äußerte sich Thomas Amend von HSBC Trinkaus & Burkhardt: "Ich würde es noch nicht Kreditklemme nennen, aber es könnte in einigen Bereichen Probleme geben in den vor uns liegenden Monaten. Es ist eine der Lehren aus der Finanzkrise, dass man nicht mehr so leicht Kredite vergibt wie zuvor. Aber auch die Nachfrage von Firmen und Privatleuten ist niedriger."

Deutschland will nicht tatenlos zusehen

Der deutsche Bundesfinanzminister Peer Steinbrück hatte bereits am 26. August klar gemacht, dass er den zunehmenden Kreditproblemen nicht tatenlos zusehen will. Die Unlust der Unternehmen, Kredite nachzufragen, kann er zwar nicht direkt beeinflussen. Aber er kann es den Banken erleichtern, Kredite auszureichen. Dafür lässt Steinbrück gerade unter anderem die Vergabe sogenannter Globaldarlehen über die bundeseigene Förderbank KfW an die Banken prüfen. Diese sollen die Banken dann an mittelständische Firmen vergeben. Ebenfalls im Gespräch sind Maßnahmen wie der Ankauf staatlich gesicherter Exportkredite sowie Hilfen bei Warenkreditversicherungen. Finanziert werden könnten diese Maßnahmen aus Mitteln des Deutschlandfonds. Bereits am kommenden Dienstag trifft sich Steinbrück mit Spitzenvertretern von Wirtschaft und Banken, um das Thema zu besprechen.

Die EZB versucht bereits seit Monaten mit aller Kraft eine Kreditklemme zu verhindern. Ende Juni stellte sie den Banken zum ersten Mal seit Einführung des Euro unbegrenzt Liquidität zur Verfügung. Die Banken nahmen das Angebot damals gerne an und sicherten sich fast eine halbe Billion Euro. Seitdem tobt der Streit, ob sie dieses Gel der Wirtschaft zur Verfügung stellen oder lieber ihre Eigenkapitalbasis stärken oder am Finanzmarkt spekulieren. Die EZB hat für Ende September und Dezember zwei weitere massive Liquiditätsspritzen angekündigt.

Das Schlimmste für eine Volkswirtschaft

Eine Kreditklemme ist so ziemlich das Schlimmste, was einer Volkswirtschaft passieren kann. Wenn nämlich Banken keine oder zu wenig Kredite mehr an Unternehmen vergeben, können diese nicht mehr investieren. Wegen der schweren Rezession im Winterhalbjahr wollen viele Unternehmen aber aktuell auch gar kein Geld für neue Maschinen und Anlagen ausgeben. Dies könnte sich aber bei einem beginnenden Aufschwung wieder ändern. Somit entscheidet sich wahrscheinlich erst in einigen Monaten, ob es Deutschland tatsächlich mit einer Kreditklemme zu tun hat: Wenn die Unternehmen wieder bereit sind, Geld auszugeben, aber vielleicht bei ihrer Hausbank keines bekommen.

Auch das Wachstum der für die Zinspolitik der EZB wichtigen Geldmenge M3 ging weiter zurück. Das Plus lag nur noch bei 3,0 Prozent nach 3,6 Prozent im Juni. Analysten hatten ein Plus von 3,2 Prozent erwartet. Im gleitenden Dreimonatsdurchschnitt (Mai bis Juli) wuchs M3 mit einer Jahresrate von 3,4 Prozent. M3 umfasst unter anderem Bargeld, Einlagen auf Girokonten, kurzfristige Geldmarktpapiere sowie Schuldverschreibungen bis zu zwei Jahren Laufzeit.

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