Im Streit um die Rechtsnachfolge im Staatsvertrag verschärft Slowenien die Gangart gegenüber Österreich weiter. Mit Staatspräsident Danilo Türk hat sich am 9.9. erstmals ein slowenischer Regierungsvertreter dafür ausgesprochen, dass Ljubljana (Laibach) eine offizielle diplomatische Erklärung darüber abgibt, dass es die Rechtsnachfolge Jugoslawiens in dem Vertragswerk angetreten hat.
Artikel 7 des Staatsvertrags ist die Grundlage für die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofs zur Aufstellung zweisprachiger Ortstafeln in Kärnten, bei deren Umsetzung Österreich seit Jahren säumig ist. "Ich trete dafür ein, dass Slowenien offiziell die Rechtsnachfolge anmeldet, notifiziert, und dass es dies auf die bei völkerrechtlichen Verträgen übliche Weise tut, nämlich mit einer einseitigen Erklärung", sagte Türk in einem Interview mit dem slowenischen Privatsender POP TV.
"Unser Wille zur Rechtsnachfolge soll formalisiert werden", betonte er. Österreich bestreitet die slowenischen Ansprüche in Bezug auf den Staatsvertrag und betont, dass es keine automatische Rechtsnachfolge des Unterzeichnerstaates Jugoslawien geben könne. Die slowenische Führung argumentiert, dass der Staatsvertrag neben den Rechten der slowenischen Volksgruppe auch die Staatsgrenze festlegt, die durch den Zerfall Jugoslawiens zur slowenisch-österreichischen Staatsgrenze geworden ist.
Abfuhr bei Signatarstaaten möglich
Der Völkerrechtsexperte und frühere hohe UNO-Beamte Danilo Türk zeigte sich unbeeindruckt von Spekulationen, wonach sich Ljubljana mit seinem Ansinnen bei den Signatarstaaten des Staatsvertrags eine Abfuhr holen könnte. "Das ist eine dieser Situationen, wo man besser nicht fragt, weil es darum geht, dass wir unseren Willen formulieren, und diesbezüglich könnte jede Frage den Eindruck erzeugen, dass es Zweifel an unserer Entschlossenheit, an unserem Willen gibt", sagte der slowenische Staatspräsident.
Er räumte ein, dass es beim Eintreten Ljubljanas für die Rechte der slowenischen Volksgruppe in Kärnten in der Vergangenheit die eine oder andere "Unzulänglichkeit" gegeben habe. "Das bedeutet aber nicht, dass wir diese Unzulänglichkeiten weiter aufrechterhalten müssen."
Den Startschuss für die jüngste diplomatische Offensive in der Minderheitenfrage hatte Ende August der slowenische Ministerpräsident Borut Pahor gegeben, der beim Antrittsbesuch von Bundeskanzler Werner Faymann (S) in Slowenien mehrmals die slowenische Rechtsnachfolge im Staatsvertrag bemühte und betonte, dass Wien in der Ortstafel-Frage bei Ljubljana in der Pflicht stehe. Die Erfüllung von Artikel 7 des Staatsvertrag sei "keine interne Angelegenheit" Österreichs, sondern seine völkerrechtliche Verpflichtung, "auch gegenüber Slowenien als Rechtsnachfolgerin des Staatsvertrags", sagte Pahor.
Spindelegger lehnt Initiative ab
Während Faymann diese Aussagen unwidersprochen ließ, bekräftigte Außenminister Michael Spindelegger (V) die ablehnende Haltung Österreichs in dieser Frage und erntete heftigen Widerspruch in Ljubljana. Spindelegger und Zbogar erörterten die Frage auch am Rande des informellen EU-Außenministertreffens am 4.9. in Stockholm. "Wir haben darin übereingestimmt, dass wir nicht in der Interpretation übereinstimmen", sagte Spindelegger. Ähnlich äußerte sich Zbogar. Er fügte hinzu, dass Wien und Ljubljana nun gemeinsam "einen Weg aus der Sackgasse im Zusammenhang mit der Minderheit suchen" wollen.
Der Staatsvertrag über die Wiederherstellung des unabhängigen und demokratischen Österreich war im Jahr 1955 von den vier Siegermächten USA, Sowjetunion, Großbritannien und Russland ausverhandelt worden. Er stand all jenen Staaten zum Beitritt offen, die im Zweiten Weltkrieg gegen Nazi-Deutschland gekämpft hatten.
Die Tschechoslowakei und Jugoslawien machten von dieser Möglichkeit Gebrauch. Im Jahr 2004 teilte Tschechien der österreichischen Regierung mit, dass es sich an den Staatsvertrag gebunden fühle. Wien bestritt in diesem Fall die Rechtsnachfolge.