Der ÖVP-Delegationsleiter im Europaparlament, Ernst Strasser, rechnet damit, dass die Zusammensetzung der nächsten EU-Kommission noch lange dauert, selbst wenn am 16.9. Jose Manuel Barroso als Kommissionspräsident vom Europaparlament bestätigt wird.
Strasser sagte in Straßburg, die Gespräche zwischen Barroso und der Regierung über Kandidaten für den Posten des Kommissars würden wahrscheinlich nicht vor Mitte oder Ende November abgeschlossen sein und könnten sich noch bis in den Dezember erstrecken.
Die ÖVP werde ihr Vorschlagsrecht für den Kommissar wahrnehmen, betonte Strasser. Aufgabe von Bundeskanzler Werner Faymann (S) sei es nun, für Österreich ein interessantes Ressort zu verhandeln. Als mögliche Bereiche für den nächsten österreichischen Kommissar nannte Strasser Außenpolitik, Landwirtschaft, Verkehr, Umwelt, Wirtschaft und Sicherheit. "Das ist eine demonstrative Aufzählung", betonte Strasser. Die Frage, ob er selbst an dem Posten interessiert sei, vereinte er.
Sozialdemokraten überlegen Enthaltung
SPÖ-Delegationsleiter Jörg Leichtfried kündigte unterdessen erneut an, dass sich die österreichischen Sozialdemokraten und "höchstwahrscheinlich" die gesamte Fraktion der "Progressiven Allianz der Sozialisten und Demokraten" bei der Wahl Barrosos enthalten würden. "Wir stimmen jetzt nicht für Barroso, machen aber die Tür nicht zu." Es sei damit zu rechnen, dass Barroso die relative Mehrheit der Stimmen erhalte.
Die Sozialdemokraten wollten noch mehr bei der Besetzung und beim Programm der nächsten Kommission erreichen. Leichtfried forderte, dass einige der Portfolios Industriepolitik, Binnenmarkt, Wettbewerb und Soziales mit Sozialdemokraten besetzt würden. Es werde nicht gelingen, all diese Posten zu bekommen, es sei jetzt aber auch nicht Zeit für Namedropping.
Die sozialdemokratische EU-Abgeordnete Karin Kadenbach brachte unterdessen wieder Ex-Bundeskanzler Alfred Gusenbauer (S) als möglichen Kommissarskandidaten ins Spiel. Ein ehemaliger Bundeskanzler mit Europaerfahrung könnte diese Funktion durchaus übernehmen. "Ich sehe nicht ein, warum das nicht eine Option wäre", sagte sie. Sie erwarte von der ÖVP Vorschläge, um "das Beste für Österreich" zu erreichen.
Leichtfried sprach dagegen von der "normativen Kraft des Faktischen in der Koalition". Es sei scheinbar mit dem Bundeskanzler vereinbart, den Kommissar der ÖVP zu überlassen, sagte er. Die Beteiligten sollten nicht parteipolitisch denken, sondern den am meisten ausgezeichneten Kandidaten entsenden.
Leichtfried schätzt, dass etwa 50 Abgeordnete aus den Reihen der Europäischen Volkspartei (EVP) Barroso nicht mehr wählen, "weil er ihnen zu links ist". Dem widersprach EVP-Vizefraktionschef Othmar Karas: "Die EVP wird ihn geschlossen unterstützen. "Er erwarte eine eindeutige, ausreichende Mehrheit für Barroso, sagte Karas.