TTIP wohl abgesagt

Wirtschafts-Experten sehen nach Trump-Sieg "nichts Gutes" voraus

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"Aussagen zur Handelspolitik lassen Handelskrieg befürchten".

Deutsche Chefvolkswirte zeigen sich nach dem Wahlsieg von Donald Trump besorgt. Hier die Aussagen im Detail:

THOMAS GITZEL, CHEFVOLKSWIRT VP BANK:

"Bleibt Trump bei seiner harten außenwirtschaftlichen Linie, verspricht dies nichts Gutes. Wahrscheinlich muss sich Donald Trump aber den Fakten stellen und zurückrudern. Der Freihandel kann so einfach nicht auf den Kopf gestellt werden, ansonsten wäre die US-Wirtschaft selbst stark gefährdet. Kehrt Trump von seiner extremen außenwirtschaftlichen Positionierung ab, blieben Steuersenkungen und eine deutliche Erhöhung der Staatsausgaben als Kernelemente seiner Wirtschaftspolitik. Dies wäre dann positiv für die US-Wirtschaft und somit auch für die Weltökonomie als ganzes.

Die US-Notenbank wird in den kommenden Wochen die Reaktion an den Finanzmärkten abwarten, auch das Verhalten wichtiger konjunktureller Frühindikatoren wird für US-Notenbankchefin Yellen entscheidend sein. Bleiben die Aktienmärkte unter Druck und leidet darunter die Unternehmens- und Verbraucherstimmung, dürfte die US-Notenbank von einer weiteren Zinserhöhung im Dezember absehen."

STEFAN BIELMEIER, CHEFVOLKSWIRT DZ BANK:

"Die Folgen der Wahl sind - wie der Kandidat Trump - völlig unberechenbar. Einige seiner Pläne sind radikal, viele nur rudimentär bekannt. Die Unklarheit über die künftige Wirtschaftspolitik ist groß, die Finanzierung der Steuerpläne ungewiss und die Aussagen zur Handelspolitik lassen sogar einen Handelskrieg befürchten. Die Beziehungen zu Europa und zur NATO dürften sich eintrüben. Wenn Donald Trump seine Wahlversprechen tatsächlich umsetzt und er ein spürbares Konjunkturprogramm für die US-Wirtschaft initiiert, sollte die US-Konjunktur zunächst profitieren und damit auch die wichtigsten Handelspartner. Mittelfristig dürfte der Politikentwurf von Donald Trump jedoch zu einer spürbar geringeren Wachstumsdynamik binnenwirtschaftlich wie global führen. Somit wird die zunächst negative Entwicklung an den Kapitalmärkten wohl kurzfristig überzeichnet sein, mittelfristig aber als berechtigt erscheinen."

KATHLEEN BROOKS, BROKERHAUS CITY INDEX:

"Das ist unbekanntes Territorium für die USA, das politische Establishment könnte heute über den Haufen gerannt werden, was weitreichende Konsequenzen für die Finanzmärkte für eine geraume Zeit nach sich ziehen würde. Ein weiteres Risiko ist, wie die Bevölkerung auf einen Sieg von Trump reagieren könnte. Kommt es zu gewalttätigen Protesten könnte das noch mehr Volatilität für die Märkte bedeuten."

MARCEL FRATZSCHER, DIW-PRÄSIDENT:

"Natürlich wird es kurzfristig zu Verwerfungen an den Finanzmärkten kommen. Das sieht man ja bereits jetzt, und das dürfte sich in den kommenden Tagen fortsetzen. Aber ähnlich wie nach dem Brexit-Votum der Briten werden sich die Wellen wieder glätten. Schnell wird man feststellen, dass sich eigentlich nicht so viel ändern wird. Viele seiner verrückten Pläne - etwa in der Steuer- und Handelspolitik - wird Trump nicht umsetzen können. Wir haben eine funktionierende Demokratie in den USA. Auch der mächtigste Mann der Welt kann nicht tun, was er will.

TTIP wird jetzt für zumindest vier Jahre erst einmal auf Eis gelegt. Das sind vier verlorene Jahre. Die werden Europa mehr schmerzen als die USA. Für die deutsche Wirtschaft wird es keinen massiven Schaden geben, auch wenn eine schwächer wachsende US-Wirtschaft uns treffen wird."

HOLGER SANDTE, EUROPA-CHEFVOLKSWIRT NORDEA:

"Niemand weiß genau, was ein Präsident Trump bedeutet. Und diese Unsicherheit ist genau das Problem. Sie spiegelt sich auch in der negativen Reaktion auf den Finanzmärkten wider. Sollte das wochenlang anhalten, wird die Fed die Zinsen im Dezember nicht anheben. Wie nach dem Brexit-Referendum ist die Prognoseunsicherheit nun besonders hoch.

Wenn Trump seine Ausgabenpläne umsetzt, könnten die US-Anleiherenditen deutlich steigen, was die US-Wirtschaft und damit die Weltwirtschaft belasten würde. Auch für den Freihandel wird es schwierig. Und in Europa werden die Anti-Establishment-Bewegungen Aufwind spüren."

JÖRG KRÄMER, COMMERZBANK-CHEFVOLKSWIRT:

"Trump ist ein erklärter Gegner des Freihandels. Darunter werden nicht nur Mexiko, Kanada und China leiden. Vielmehr wird er der gesamten Welthandelsordnung schweren Schaden zuführen. Der Welthandel, der in preisbereinigter Rechnung bereits seit zwei Jahren stagniert, wird unter einem Präsidenten Trump sicher nicht zur alten Dynamik zurückfinden. Das wird die Exportnation Deutschland zu spüren bekommen, wenn der gegenwärtige konsumgetriebene Aufschwung in ein paar Jahren ausläuft.

Trumps Sieg steht für eine Niederlage des politischen, wirtschaftlichen und publizistischen Establishments in den USA. Das wird die gegen das Establishment gerichteten Kräfte in vielen EU-Ländern weiter stärken, auch in Deutschland. All das schwächt in der EU die Regierungen und schafft ein Klima, in dem sich die Regierenden nicht an Reformen wagen. Das zementiert die Probleme der EU und drängt die EZB in die Rolle des geldpolitischen Ausputzers.

Natürlich können sich die Aktienmärkte nach dem unvermeidlichen Ausverkauf am heutigen Tag wieder rasch erholen. Aber für die Märkte dürfte die Wahl Trumps ein weit größeres Problem sein als das Brexit-Votum im Juni. Schließlich geht die immer noch größte Volkswirtschaft der Welt unter einem Präsidenten Trump in der Handelspolitik auf Konfrontationskurs. Hinzu kommt die monatelange Unsicherheit darüber, was genau Trump tun wird."

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