An eine Lockerung der Maßnahmen sei derzeit noch nicht zu denken
In einer Diskussion über den Ausnahmezustand aufgrund der Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus hat die Intensivmedizinerin Barbara Friesenecker eindringlich erklärt, dass der Gipfel der Infektionen erst bevorstehe. "Wir befinden uns derzeit im Anzug des Sturms", die Intensivstationen der Spitäler füllten sich. Daher sei an eine Lockerung der Maßnahmen nach Ostern noch gar nicht zu denken.
Die weitgehende Isolierung müsse aufrechterhalten werden, um die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen und das Gesundheitssystem nicht zu überlasten, sagte Friesenecker in der ORF-Fernsehsendung "Im Zentrum" am Sonntagabend. Wann der Gipfel gekommen sei, würden die Epidemiologen sagen, einen genauen Zeitpunkt wisse man noch nicht. Erst dann werde man schrittweise die Beschränkungen lockern können, so die Vorsitzende der ARGE Ethik. Das österreichische Gesundheitssystem sei besser ausgestattet als jenes in Norditalien oder in Frankreich, das sei jetzt ein Vorteil. Die Krankheit betreffe nicht nur Alte und Gebrechliche, sondern auch junge Leute würden sehr krank, und auch Mitarbeiter im Gesundheitswesen würden sterben.
Schramböck: Situation "alternativlos"
Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) bezeichnete die Situation als "alternativlos". "Ich will ein Budgetdefizit nicht mit Menschenleben aufwiegen", sagte sie. Es brauche jetzt Schutz für die Menschen und einen "Schutzschirm" für die Wirtschaft. Angesprochen auf die Klagen des Fachhandels, der sich gegenüber den Supermärkten benachteiligt sieht, verwies sie auf die Milliarden-Hilfspakete für Umsatzausfälle durch die Geschäftsschließungen. Es gebe eine klare Botschaft an die Lebensmittelhändler, nicht die Non-Food-Themen zu forcieren, das werde man sich genau anschauen.
Den Berechtigtenkreis für diverse Staatshilfen aus dem Härtefallfonds könnte man in einer zweiten Phase ausweiten, kündigte sie an. Der mit einer Milliarde Euro dotierte Härtefallfonds könnte noch verdoppelt werden. Sollten die Banken nicht wie angekündigt Überbrückungskredite für Unternehmen mit Kurzarbeit zur Verfügung stellen, so werde man eine andere Lösung finden, sagte Schramböck. Sie werde auch eine Empfehlung aussprechen, dass Unternehmen, die Staatshilfe für Kurzarbeit in Anspruch nehmen, keine Dividende ausschütten sollten. Nach der Krise werde es wohl ein Konjunkturpaket geben müssen.
Hacker fordert Perspektive
Der Wiener Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) sprach sich dafür aus, den Menschen eine "Perspektive" zu geben, wann die Maßnahmen wieder heruntergefahren werden. "Wir müssen aufpassen, dass die Sorge um das eigene Geld nicht die Sorge um die Gesundheit überwiegt", meinte er. Die Epidemie sei erst am Anfang, und es sei gelungen das Verhalten der Bevölkerung weitgehend zu ändern. "Man kann die Wirtschaft nicht monatelang herunterfahren". Viele kleine Betriebe in Wien fürchteten um ihre Existenz. Das Arbeitslosengeld solle erhöht werden, schloss er sich der Forderung von ÖGB-Chef Wolfgang Katzian an.
Lob sprach Hacker dem Wiener Gesundheitssystem aus, das man trotz Spar-Ratschlägen von Rechnungshof und OECD nicht eingeschränkt habe. Nach der Krise werde sich einiges ändern, von höheren Einkommen für Berufe im Gesundheitswesen, Verkehr und Handel bis zur besseren Versorgungssicherheit mit Schutzausrüstung und Atemschutzmasken, die derzeit in Europa nicht gegeben sei, so der Gesundheitsstadtrat.
Auch der Ökonom Jürgen Huber, Professor für Finanzwirtschaft an der Universität Innsbruck, rechnet mit Veränderungen nach der Krise. "Die Welt wird sich deutlich ändern", denn die Krise sei auch eine Chance. In den letzten Jahren habe man steigende Ungleichheit bei Einkommen und Gehältern gesehen. Neue Entwicklungen würden nun kommen, vom verstärkten Einsatz von Homeoffice und weniger Reisen bis zum Onlinehandel. Huber erwartet auch eine Re-Regionalisierung von Wirtschaftskreisläufen. "Diese Turboglobalisierung, wo alles in China produziert wird, ist nicht überall der optimale Weg." Auch für den österreichischen Tourismus und heimische Produzenten könne es mehr Chancen geben.