Coronavirus

AstraZeneca: Ursache für Thrombosen geklärt

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Eine neue Studie zeigt: Die Thrombosen nach der Corona-Impfung ähneln einer bei Heparin-Therapie auftretenden Nebenwirkung. 

Die Ursache für sehr seltene Thrombose-Komplikationen nach Covid-19-Impfung mit AstraZeneca-Vakzin scheint geklärt. Sie ähneln einer selten bei Heparin-Therapie auftretenden Nebenwirkung. Die volle Erklärung inklusive möglicher Früherkennungs-, Diagnose- und Therapiemöglichkeiten durch ein internationales Wissenschafterteam mit Beteiligung von Wiener Blutgerinnungsexperten ist jetzt im New England Journal (9. April) erschienen.

Die Schlussfolgerung der Fachleute ist klar: "Die Impfung mit ChAdOx1 nCov-19 (AstraZeneca-Impfstoff; Anm.) kann als Resultat in seltenen Fällen die Entwicklung einer immunbedingten Thrombozytopenie (Mangel an Blutplättchen; Anm.), vermittelt durch aktivierte Antikörper gegen PF4 (Plättchenfaktor 4; Anm.), haben. Das ähnelt im klinischen Erscheinungsbild einer durch Heparin ausgelösten autoimmunbedingten Thrombozytopenie", schreiben die Wissenschafter mit Erstautor Andreas Greinacher (Institut für Immunologie und Transfusionsmedizin der Uni-Klinik Greifwald) und unter anderen mit Paul Kyrle und Sabine Eichinger (MedUni Wien/AKH) als Co-Autoren.

Indexfall war Krankenpflegerin aus NÖ

So schnell dürfte es jedenfalls mit der wissenschaftlichen Erklärung von möglichen seltenen Komplikation nach einer Impfung noch nie gegangen sein. Nach einem ersten Thromobosezwischenfall nach der Erstimpfung mit ChAdOx1 nCov-19 Mitte Februar wurde mit der vollen wissenschaftlichen Publikation in der angesehensten Medizin-Fachzeitschrift der Welt extrem rasch reagiert. Der Indexfall stammte aus Österreich, eine Krankenschwester aus dem Krankenhaus Zwettl in Niederösterreich. Die Wissenschafter berichten: "Eine bis dahin gesunde 49-jährige im Gesundheitswesen Tätige erhielt ihre erste Dosis ChAdOx1 nCov-19 Mitte Februar 2021 (Tag 0)." Zehn Tage danach wurde die Frau ins Krankenhaus aufgenommen. Sie starb trotz aller Bemühungen der Ärzte. In der Autopsie zeigte sich auch das Vorliegen einer Thrombose in Gehirnvenen (Sinusvenenthrombose).

Bis zum 15. März gab es allerdings bereits Meldungen von zehn weiteren Patienten mit thromboembolischen Komplikationen fünf bis 16 Tage nach einer solchen Impfung. Die Wissenschafter untersuchten das klinische Erscheinungsbildung und die Laborparameter von elf solcher Patienten aus Deutschland und Österreich mit Thrombosen oder pathologischem Blutplättchenmangel nach Immunisierung mit der AstraZeneca-Vakzine. Das mittlere Alter lag bei 36 Jahren, neun der Betroffenen waren Frauen. "Alle Patienten hatten eines oder mehrere thrombotische Ereignisse - mit der Ausnahme eines Betroffenen, der eine tödliche Gehirnblutung aufwies", schrieben die Wissenschafter. In neun der zehn anderen Fälle wurden venöse Thrombosen des Gehirns nachgewiesen. Insgesamt starben sechs der elf Patienten, deren Befunde in der wissenschaftlichen Arbeit analysiert wurden.

Komplikation 

Was die Wissenschafter laut ihren Angaben auf die offenbar richtige Spur brachte, war die Ähnlichkeit mit einer sonst sehr seltenen Komplikation, welche die Folge einer Behandlung mit Heparin, einem der wichtigsten Medikamente zur Gerinnungshemmung, sein kann: "Keiner der Patienten hatte vor dem Auftreten der Symptome oder der Diagnose einer Thrombose Heparin erhalten. Aber da das klinische Erscheinungsbild frappant einem Heparin-induzierten Blutplättchenmangel ähnelte", sei sofort eine Untersuchung von Blutserumproben veranlasst worden. Das Ergebnis: Alle Betroffenen wiesen Antikörper gegen den Blutplättchenfaktor 4 auf. Zusätzlich konnten die Wissenschafter eine Aktivierung der noch vorhandenen Blutplättchen nachweisen, was offenbar zu den Thrombosen führte.

Von einem durch Heparin-Therapie ausgelösten Blutplättchenmangel und/oder Thromboembolien unterscheidet sich das neue Krankheitsbild in möglicher Verbindung zu der Covid-19-Immunisierung allerdings offenbar durch die Schwere der Thromboembolien und ihr mehrfaches Auftreten im Körper. "Interaktionen zwischen der Vakzine und den Blutplättchen oder zwischen der Vakzine und PF4 könnten eine Rolle in der Krankheitsentstehung sein. Ein möglicher Auslöser für das Entstehen der PF4-Antikörper könnte freie DNA in der Vakzine sein", schreiben die Fachleute.

Besonders wichtig für Zukunft wäre Aufmerksamkeit, um die mögliche seltene Komplikation frühzeitig zu entdecken und entsprechend zu behandeln. Die Wissenschafter betonten: "Erstens sollten klinisch tätige Ärzte sich dessen bewusst sein, dass venöse oder arterielle Thrombosen an sonst nicht üblichen Lokalisationen wie Gehirn oder Bauchraum fünf bis 20 Tage nach der Impfung auftreten können. Wenn eine solche Reaktion von einem Blutplättchenmangel begleitet ist, kann das eine unerwünschte Nebenwirkung einer vorangegangenen Covid-19-Impfung sein."

Blutuntersuchung  

Bei Verdacht sollte schnell eine Blutuntersuchung auf PF4-Antikörper durchgeführt werden. Liegen solche Antikörper vor, sollte ein Test auf die Aktivierung der Blutplättchen folgen. Das erste Mittel zur Behandlung ist hoch dosiertes Immunglobulin. Eine weitere Möglichkeit sind auch neue und nicht auf Heparin basierende Blutgerinnungshemmer, wie sie in den vergangenen Jahren bereits in vielen medizinischen Anwendungsgebieten (z.B. Kardiologie) eingesetzt werden.

 Die europäische Arzneimittelagentur EMA hat bis zu ihrer vorerst letzten Bewertung der Situation 62 Fälle von sogenannten venösen Sinusthrombosen (Gehirn) und von 24 Fällen von Thrombosen im Bauchraum nach 25 Millionen Impfungen mit dem AstraZeneca-Vakzin registriert. Die EMA stellte klar fest, dass die Vorteile der Impfung diese allfälligen sehr seltenen Komplikationen weitaus überwiegen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat einen Zusammenhang zwischen Impfung und den thromboembolischen Ereignissen als "plausibel, aber nicht bewiesen" bezeichnet.
 

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