Coronavirus

Experte erklärt: Nur so können wir Corona in den Griff bekommen

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Laut Simulationsforscher Niki Popper kann man das Coronavirus nur mit einer klaren Strategie eindämmen.

Nur mit klaren Strategien, einem substanziellen Aufbau der Kontaktnachverfolgung und belastbareren Daten für Forscher können nach dem nunmehrigen Beschluss für einen harten Lockdown weitere derartige Maßnahmen verhindert werden, so der Simulationsforscher Niki Popper am Sonntag zur APA. Sonst passiere das hinreichend Absehbare - nämlich der erneute, rasche Anstieg der Covid-Fallzahlen nach dem Lockdown.

"Testen, Tracen, Isolieren" müsse nach dem zweiten Herunterfahren einer klaren, nachhaltigen Strategie folgen und verbindlich und schnell funktionieren. Um von den aktuell deutlich zu hohen Infektionszuwächsen wieder herunterzukommen, sind auch für Popper die nun drastischen Verschärfungen begründbar. In den Modellen wurden jeweils die Maßnahmen mit eingerechnet, kein Schritt hat aber ausreichende Dämpfung gezeigt - auch wenn sich jetzt bereits eine Reduktion beobachten lasse.

In der Rückschau zeige sich aber deutlich, dass das "Testen, Tracen, Isolieren schlecht funktioniert hat und ab einem Punkt dann 'exponentiell' zurück gegangen ist". Wäre das Tracing z. B. ab September nach asiatischem Vorbild effektiver verlaufen, wäre der Fallzahlen-Anstieg hierzulande um 60 Prozent geringer ausgefallen, haben Popper und Kollegen kürzlich errechnet. Es brauche daher nun deutliche und nachhaltige Verbesserungen, um ein System aufzuziehen, das auch mit dem Fokus auf das Frühjahr hin funktioniert, damit nicht Kranke, Tracer und Gesundheitspersonal erneut die Folgen zu tragen haben.

Dass es ein Anwachsen der Fallzahlen unter den lockeren Bedingungen der vergangenen Monate geben wird, wurde in den Prognosen laufend berechnet. Schlussendlich war die Überlastung der Intensivstationskapazitäten (ICUs) Ende Oktober in den Berechnungen nicht mehr auszuschließen. Seit Juli seien sukzessive Faktoren dazu gekommen, die den Anstieg begünstigt haben, - von der Reisetätigkeit im Sommer bis zum relativ normal verlaufenen Herbst.

Man müsse trotzdem sehen, dass "es keine einfache Fortschreibung von Kurven ist, da wir ja mit gewissen Maßnahmen dagegengedrückt haben. Aber wir haben es gemeinsam nicht geschafft", so Popper. Das sei zwar in keinem vergleichbaren Land grundlegend anders, den Versuch, mit gelinderen Mitteln als einem kompletten Shutdown durch die kalte Jahreszeit zu kommen, dürfe man aber nicht aufgeben. Von Fatalismus halte er nichts.

Es gebe im Umgang mit der Epidemie noch immer "große Probleme, die man für die Zukunft lösen müsste", sagte der Wissenschafter von der Technischen Universität (TU) Wien. Die Datenlage, auf der Popper und sein Team im Rahmen des Prognosekonsortiums ihre Vorschauen erstellen, sei immer noch nicht zufriedenstellend. Klar illustriert wurde das durch die neuerlichen Probleme mit Nachmeldungen im Epidemiologischen Meldesystem des Bundes (EMS). Trotzdem sei für die kommenden Tage bereits mit einem Rückgang der Zuwächse zu rechnen. "Was wir aber gesehen haben, ist, dass der Rückgang langsam vor sich gehen würde", so Popper.

Der harte Lockdown wird schon bald Wirkung zeigen, ist sich Popper sicher, "wenn alle mitmachen". Aber dann müsse man sich das Ziel des Testens, Nachverfolgens und Isolierens viel deutlicher vor Augen führen. Forscher bräuchten spätestens jetzt "konkrete Zahlen dazu, wie es weiter gehen soll", betonte Popper. Wichtig wäre, belastbar zu wissen, wo genau, zu welchem Zeitpunkt und unter welchen Randbedingungen ICUs zur Verfügung stehen und wie diese ausgelastet werden können und sollen. Und es müsste jetzt klar definiert werden, wie viele Leute man pro Bundesland zur Kontaktnachverfolgung braucht, und wie die Prozesse aussehen. In der Folge könnte man sich "für den Frühling etwas überlegen und eine nachhaltige Strategie für den Herbst entwickeln, sollte es bis dahin keine andere Lösung wie ausreichende Impfungen geben".

Es brauche eine sinnvolle, digitalisierte Datenerfassung und verbindliche Informationen darüber, wie schnell das Testen passiert und die Kontaktpersonen positiv Getesteter informiert werden. Das werde in Asien besser gemacht und jedenfalls "nicht mit Notfallaktionen erreicht. Das muss klar definiert, professionell kommuniziert und auch messbar sein", sagte Popper. Dazu gehören verbindliche, öffentlich verfügbare Informationen zu der Zielgröße, die gegengerechnet wird - nämlich den verbleibenden Krankenhauskapazitäten pro Region.

Die zusätzliche zentrale Herausforderung bestehe im psychologischen Bereich: Nämlich, die Bevölkerung tatsächlich nachhaltig zum Beherzigen der Kontaktreduktion zu bewegen. Wenn jetzt da und dort Weihnachtsmärkte trotz allem aufgebaut werden und sich auf Einkaufsmeilen Menschenschlangen bilden, laufe das den Zielen klarerweise zuwider. Wichtig ist für Popper, dass jetzt Maßnahmen wieder regionaler und gezielter gesetzt werden können.

Die am Sonntag von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) angekündigten Massentestungen nach dem Vorbild der Slowakei beurteilt Popper zweischneidig. Das bringe als Momentaufnahme durchaus etwas, "ist aber mit dem Aufsetzen einer nachhaltigen Teststrategie nicht vergleichbar. Wer wird wann mit welchem Test untersucht?", fragte Popper. Vor allem wichtig sei der richtige Zeitpunkt "in der Welle. Denn am Ende einer solchen Welle ist die Dunkelziffer besonders niedrig".

 

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