Zeit des "überzogenen Bedarfs" mit "zu viel von allem" werde wohl dauerhaften Dämpfer bekommen
Die Corona-Pandemie hat nach Einschätzung von Zukunftsforscher Matthias Horx in Teilen der Gesellschaft dauerhafte Verhaltensveränderungen zur Folge. "Diese Krise ist ja nicht nur ein kurzer Einbruch", sagte er. Sie habe uns im Alltagsleben zu anderen Dingen gezwungen, "die wir dann aber vielleicht sogar ganz interessant fanden".
Horx spricht von einer "Erfahrung der Selbstbegegnung" und der Erkenntnis, "dass vieles, von dem man glaubte, unbedingt haben zu müssen, eigentlich gar nicht so attraktiv mehr ist". Die Krise mit ihren Ein- und Beschränkungen habe viele Menschen auf sich selbst zurückgeworfen, sagte der Trendforscher weiter. Sie mussten neue Erfahrungen machen und sich anpassen. Dazu gehöre auch, über eigene Werte nachzudenken: "Was ist wichtig für mich im Leben? Auf was möchte ich in Zukunft weiter verzichten?" Viele merkten, dass sie ihr Konsum- und Kommunikationsverhalten gerne verändern möchten. "Nicht alle werden das schaffen, aber ein Teil eben doch."
Verhaltensveränderungen
Horx erwartete zumindest für einen Teil der Bevölkerung bleibende Verhaltensveränderungen. "Wir haben ja geübt: Wir haben zum Beispiel mehrere Monate lang anders kommuniziert. Wenn man Dinge übt, dann behält man sie auch bei." Die Zeit des "überzogenen Bedarfs" mit "zu viel von allem" - seien es ständige Reisen oder anderer Konsum - werde wohl einen dauerhaften Dämpfer bekommen. Das hat aus Horx' Sicht auch Folgen für manche Wirtschaftsbereiche, die nicht mehr so brummen werden wie früher, etwa die Kreuzfahrt.
Der Zukunftsforscher hatte zu Beginn der Krise im März erste Überlegungen dazu veröffentlicht, wie die Corona-Krise die Gesellschaft verändern könnte. Vor kurzem erschien sein Buch "Die Zukunft nach Corona". Eine These von vor drei Monaten war, dass die Menschen trotz der Kontaktbeschränkungen eher enger zusammenrücken: "Das war meine Vermutung und ist auch so eingetreten, dass viele Menschen in dieser sogenannten sozialen Isolation ihre Beziehungen intensivieren, wieder ernst nehmen und auch pflegen." Als Beispiel nannte Horx intensives Telefonieren.
Vertrauen in die Politik
Auch auf politischer Ebene sieht er Veränderungen: Das Vertrauen in die Politik sei in der Corona-Pandemie gewachsen. "Es ist ein Vertrauensgewinn in die Politik festzustellen, der auch glaube ich anhält", sagte Horx. Gleichzeitig sah er einen "Deutungsverlust von populistischen Strategien". Auf die Frage, wie eine Gesellschaft sich angesichts von Infektionsgefahren organisieren könne, "darauf hat der Populismus keine Antwort". Horx ist der Gründer des "Zukunftsinstituts" mit Standorten in Frankfurt am Main und in Wien.