Coronavirus

Ungarn: "Vorbereitung für Möglichkeit der Diktatur-Einführung"

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''Wenn die Dinge schlimmer werden'', könnte Orban ''die Opposition total zum Schweigen bringen'' - Von EU nur ''lauwarme Erklärungen''.

Budapest/Brüssel. In der Ausschaltung des Parlaments in Budapest im Zuge der Corona-Krise sieht der aus Ungarn stammende Publizist Paul Lendvai eine Vorbereitung der rechtsnationalen Regierung von Premier Viktor Orban auf schlimmere Zeiten. "Ich sehe das nicht als die Einführung einer Diktatur, aber als die Vorbereitung für die Möglichkeit der Einführung einer Diktatur", sagte Lendvai am Dienstag gegenüber der APA.
 
Im Kampf gegen die Corona-Krise brauche Orban das Notstandsgesetz nicht, erklärte Lendvai. Er verfüge im Parlament bereits über eine Zwei-Drittel-Mehrheit.
 
"Orban hat genau gewusst, was er tut. Er kalkulierte, dass weder im Inneren noch von außen irgendeine Gefahr für sein Pläne droht", analysierte der Osteuropa-Experte, Journalist und Autor der Orban-Biografie "Orbans Ungarn", für die Lendvai 2018 mit dem Europäischen Buchpreis ausgezeichnet wurde.
 
"Es ist eine Vorbereitung für die Zukunft. Wenn die Dinge schlimmer werden, könnte er die Opposition total zum Schweigen bringen, Websites und Zeitungen könnten verschwinden", erklärte Lendvai.
 
Dabei sei das ungarische Gesundheitssystem in der Corona-Pandemie "die Achillesferse. Niemand weiß, wie viele Infizierte, wie viele Beatmungsgeräte und Handschuhe es gibt. Ungarische Ärzte gehören zu den weltbesten, aber die Zustände in den Spitälern sind katastrophal. Fakten und Tatsachen werden nicht bekannt gegeben", warnte der Publizist.
 
Orban habe von der Europäischen Union dabei in der gegenwärtigen Situation keinen ernsthaften Widerstand zu befürchten, ist sich Lendvai sicher. "Alles, was die EU sagt, hat machtpolitisch keine Wirkung." Sehr wohl könnte dies aber Auswirkungen auf andere autoritäre Bestrebungen haben, etwa für Präsident Aleksandar Vucic in Belgrad oder den einflussreichen PiS-Vorsitzenden Jaroslaw Kaczynski in Warschau, meint der Publizist, "wenn man sieht, dass die EU über lauwarme Erklärungen nicht hinausgeht." Lendvai erinnerte auch daran, dass die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ihren Sieg gegen den EVP-Spitzenkandidaten Manfred Weber bei ihrer Ernennung auch Ungarn und Polen zu verdanken habe.
 
"Orban ist der beste Schüler Putins (Russlands Präsident Wladimir Putin, Anm.), er ist nur noch viel geschickter und viel raffinierter", so Lendvai.
 
   Dass sich Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) zu den Vorgängen in Ungarn bisher nicht äußern wollte, will Lendvai seinerseits nicht kommentieren. "Ich glaube , dass die österreichische Bundesregierung beispielhaft gehandelt hat. Ich bin von der bisherigen Haltung des Bundeskanzlers, des Vizekanzlers, des Gesundheitsministers und auch des Innenministers sehr beeindruckt", sagte der Publizist.
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