Die Bauwelt steht vor großen Veränderungen.
Ein Material, das Häuser und Straßen lange stabil hält und gleichzeitig das Klima unterstützt, könnte bald Realität werden – dank künstlicher Intelligenz.
KI verändert die Materialforschung
Forscher:innen der University of Southern California (USC) in Los Angeles haben ein spezielles KI-Programm namens Allegro-FM entwickelt. Es kann Materialeigenschaften auf atomarer Ebene sehr schnell und in großem Maßstab berechnen. Damit könnten Wissenschaftler:innen völlig neue Baustoffe entwerfen. Als ersten Test simulierten die Forscher:innen einen Beton, der nicht nur klimafreundlich ist, sondern sogar CO₂ aus der Luft aufnehmen und sich über Jahrhunderte selbst stabilisieren kann (alle Angaben zu US-Studien erfolgen in den USA, Los Angeles/Chicago).
Die Sprache der Atome verstehen
Allegro-FM funktioniert anders als traditionelle Methoden. Üblicherweise benötigt die Simulation von atomaren Reaktionen riesige Rechenleistung und komplizierte Formeln aus der Quantenphysik. Die KI hingegen wurde darauf trainiert, wie Atome miteinander reagieren – ähnlich wie große Sprachprogramme Wörter lernen. Das Modell kann 89 verschiedene Elemente simulieren und so komplexe chemische Abläufe, etwa in Zement, nachbilden. Auf dem Aurora-Supercomputer in Illinois führte Allegro-FM Berechnungen mit über vier Milliarden Atomen durch – rund tausendmal mehr als bisher möglich war.
Alte Technik trifft moderne Forschung
Die Simulationen zeigen, dass das CO₂, das bei der Zementproduktion entsteht, wieder im Beton eingebunden werden könnte. Dabei bildet es eine feste Karbonatschicht, die das Material stabiler macht. Damit erinnert der neue Ansatz an den antiken römischen Beton, der Jahrhunderte hielt. Forscher:innen des MIT in Cambridge (USA) konnten 2023 nachweisen, dass die Römer Kalkklasten einsetzten, die bei Rissen mit Wasser reagierten und den Beton reparierten. Allegro-FM könnte nun eine moderne Version dieses Effekts schaffen.
Vom Computer zur Baustelle
Trotz der spannenden Ergebnisse ist die Umsetzung noch weit entfernt. Der „Super-Beton“ existiert bisher nur als Simulation. Bis daraus ein Produkt wird, das in großen Mengen hergestellt, geprüft und wirtschaftlich eingesetzt werden kann, liegen noch viele Schritte vor der Bauindustrie. Neue Verfahren müssen die strengen Standards erfüllen und in der Praxis zuverlässig funktionieren. Auch die Kosten für einen solchen High-Tech-Beton sind noch völlig unklar. Dennoch zeigt die Forschung, welches Potenzial KI hat. Sie kann nicht nur Daten auswerten, sondern völlig neue Ideen entwickeln, die bisher unmöglich erschienen.