Streit um Verschlüsselung

WhatsApp & Co. in EU bald nicht mehr so sicher?

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Aufgrund der jüngsten Terrorangriffe gibt es Forderungen nach weniger Sicherheitstechnik bei Messenger-Diensten.

Da Terroristen über Ende-zu-Ende verschlüsselte Messenger-Dienste wie  WhatsApp  oder Telegram miteinander kommunizieren, fordern einige EU-Politiker, dass Geheimdienste und Sicherheitsbehörden Zugriff auf verschlüsselte Nachrichten bekommen sollen. Doch gegen diese Pläne gibt es auch massiven Widerstand.

Thema kommt auf EU-Agenda

Das Thema soll laut EU-Ratskreisen im Dezember von den EU-Innenministern behandelt werden. Zum Beschluss liege jedoch eine Absichtserklärung vor, die nicht von den üblichen Forderungen abweiche, und kein Rechtsakt sei, hört man aus Brüssel. Ein solcher müsste von der EU-Kommission kommen. Die Formulierung, welche im Dezember angenommen werden soll, entspreche der bisherigen. Strafverfolgungsbehörden solle der Zugriff auf offensichtliche Beweismittel ermöglicht werden, WhatsApp und Co. keinen rechtsfreien Raum darstellen. Diese Diskussion laufe schon länger, nicht erst seit den jüngsten Terroranschlägen in Frankreich und Österreich.

NEOS dagegen

Die NEOS-EU-Abgeordnete Claudia Gamon will in einem Brief an die EU-Kommission, den Europäischen Rat und den deutschen EU-Ratsvorsitz dazu auffordern, von dem geforderten Zugriff auf verschlüsselte Nachrichten abzusehen. Mitunterzeichner sind bisher die niederländische Liberale Sophie in t' Veld und Moritz Körner von der FDP. Um Unterstützung weiterer EU-Parlamentarier wollen die NEOS werben. "Wir lehnen es insbesondere ab, die jüngsten Terroranschläge als Mittel zur Förderung dieser Agenda zu nutzen", heißt es in dem Schreiben. Aktuelle Vorschriften ermöglichten den Strafverfolgungsbehörden den Zugriff auf eine bereits große Menge an Daten und Informationen. Wir stimmen mit Datenschutzspezialisten darin überein, dass "der Zugang verhältnismäßig und zielgerichtet bleiben muss" und die Strafverfolgung "sich darauf konzentrieren sollte, ihre Fähigkeit zur Interpretation dieser Daten zur Ermittlung und Verfolgung von Kriminellen zu verbessern", schreiben die EU-Abgeordneten.
 
"Sichere End-to-End-Verschlüsselung ist das Rückgrat der Digitalisierung", teilte NEOS-Europaabgeordnete Claudia Gamon in einer Aussendung dazu mit. "Expertinnen und Experten befürchten massive Einschnitte in die Sicherheit der Nutzerinnen und Nutzer durch eine Aufhebung, sowohl aus technischer als auch aus demokratiepolitischer Sicht." "Politikerinnen und Politiker wollen ihr Versagen im Kampf gegen den Terror verbergen, indem sie Bürgerrechte beschneiden", so NEOS-Digitalisierungssprecher Douglas Hoyos, der jenes Vorgehen als "gefährlichen Irrweg" bezeichnet. Terroristen würden andere Wege finden, um sich untereinander auszutauschen.
 

Kritik auch von SPÖ und FPÖ

Auch seitens der SPÖ und FPÖ kam Kritik an derartigen Plänen. "Mehr Überwachung ist definitiv die falsche Antwort auf Terrorismus" kommentierte Katharina Kucharowits, netzpolitische Sprecherin der SPÖ. Dabei habe gerade der Terroranschlag in Wien gezeigt, dass "mangelnde Daten nicht das Problem" gewesen seien. Das Vorhaben sei "ein Blankoscheck, um auf unsere privaten Nachrichten auf WhatsApp & Co zuzugreifen", was sie als "massiven Eingriff" in die Grundrechte bezeichnete.
 
Auch SPÖ-EU-Delegationsleiter Andreas Schieder erteilt einem etwaigen Verbot von sicherer Verschlüsselung im Internet eine Absage und sprach sich für mehr Zusammenarbeit der EU-Länder hinsichtlich des in Europa entstehenden islamistischen Extremismus aus. "Wenn wir bei den Messenger-Diensten ansetzen, riskieren wir unsere hohen demokratischen Standards. Gerade was die Erkenntnisse über Foreign-Fighters und Deradikalisierungsmaßnahmen angehen, müssen wir stärker in Europa zusammenarbeiten", so Schieder.
 
"Was die EU jetzt vorhat, ist ein Generalangriff auf das Telekommunikationsgeheimnis", kritisierte der FPÖ-EU-Abgeordnete Harald Vilimsky am Montag. "Onlinedienste wie WhatsApp oder Signal sollen dazu gezwungen werden, Generalschlüssel für Ende-zu-Ende verschlüsselte Chats und Messenger-Dienste anzulegen. Damit wäre die Kommunikation aller Nutzer solcher Dienste einsehbar - ein massiver Eingriff in das Recht auf private Kommunikation", so Vilimsky. Das "Perfide" daran sei, dass der islamistische Anschlag von Wien dafür missbraucht werden solle, "um die Überwachungsmöglichkeiten gegen europäische Bürger zu verschärfen".
 
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