Unterschiedliche Meinungen

Wie gefährlich ist die WLAN-Lücke?

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Experten uneinig, welche konkreten Gefahren in der Praxis bestehen.

Der Appell des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik, wegen der Sicherheitslücke im WLAN-Protokoll WPA2 keine Bankgeschäfte mehr über ein drahtloses Netzwerk zu tätigen, ist auf Kritik gestoßen. "KrackAttack ist eine ernstzunehmende Schwachstelle, sie ist aber nicht der sofortige Untergang unserer WLAN-Welt", erklärte Rüdiger Trost von IT-Sicherheitsunternehmens F-Secure.

Man dürfe nicht den Eindruck entstehen lassen, als ab sofort jedermann alle Verschlüsselungen aushebeln und Daten mitlesen könnte. Auch der Branchenverband Bitkom relativierte die BSI-Warnmeldung: "Man kann das Internet (über WLAN) schon noch nutzen, auch für sensible Transaktionen", sagte Marc Bachmann, IT-Sicherheitsexperte beim Bitkom. Man müsse allerdings darauf achten, dass die Verbindung dabei durch eine zusätzliche Verschlüsselungssicht geschützt sei. Es gebe keinen Anlass für eine "Hysterie".

Das BSI hatte am Montagabend öffentlich dazu aufgefordert, zunächst auf Online-Banking in einem mit WPA2 gesicherten Netzwerk zu verzichten. Auch vom Einkaufen im Netz via WLAN warnte das BSI, obwohl die meisten Online-Händler einen verschlüsselten Übertragungsweg anbieten, der nicht vom WPA2-Standard abhängt. Nur das kabelgebundene Surfen oder Mobilfunkverbindungen seien derzeit sicher: "Nutzen Sie Ihr WLAN-Netzwerk so, als würden Sie sich in ein öffentliches WLAN-Netz einwählen, etwa in Ihrem Lieblings-Cafe oder am Bahnhof", heißt es beim BSI.

Sicherheitsexperte Tim Berghoff von der Firma G-data betonte, die entdeckte Sicherheitslücke sei im Moment lediglich ein "Proof of Concept", also eine Machbarkeitsstudie. "Die Schwachstelle wird derzeit nicht zu kriminellen Zwecken ausgenutzt." Er riet den Anwendern, eine "VPN-Software einzusetzen, die den gesamten Datenverkehr mit einer SSL-Verschlüsselung sichert und so vor fremden Zugriffen schützt".

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Auch der Sprecher des Chaos Computer Clubs, Linus Neumann, verwies auf Schutzmöglichkeiten durch eine zusätzliche Verschlüsselungsschicht: "In der Tat kann man bei korrekt verifizierten SSL- oder VPN-Verbindungen die Schwachstelle gelassen sehen. Allerdings wissen Laien nicht immer, was alles zu beachten ist, um eine SSL-Verbindung korrekt zu überprüfen. Vermutlich rät das BSI daher an dieser Stelle zu einer erhöhten Vorsichtsmaßnahme."

Zuvor hatten bereits führende IT-Unternehmen die tatsächliche Gefahr der Lücke im Verschlüsselungsprotokoll relativiert. Microsoft verwies darauf, dass ein Angreifer sich in unmittelbarer Nähe des WLAN aufhalten müsse. Außerdem müsse er in der Lage sein, eine technisch aufwendige "Man-in-the-middle"-Attacke auszuführen. Es gebe auch keine Hinweise darauf, dass die Lücke in der Praxis bisher irgendwo ausgenutzt worden sei.

Prof. Michael Waidner vom Fraunhofer-Institut SIT (Security in Information Technology) in Darmstadt sagte, die WLAN-Sicherheitslücke sei durchaus ernst zu nehmen. Allerdings könne damit kein massenhafte Attacke gestartet werden, da der Angreifer sich in der Nähe des WLANs aufhalten müsse. "Ich denke, dass man die Lücke auch relativ einfach schließen kann und bin optimistisch, dass die Hersteller auch schnell reagieren werden."

Inzwischen haben erste Anbieter von Geräten und Software die Schwachstelle gestopft. Mehrere Spezialisten für Netzwerk-Technik wie Cisco, Intel, Netgear und Aruba veröffentlichten entsprechende Sicherheits-Updates. Bei Microsoft wurde die Sicherheitslücke bereits in den frisch veröffentlichten Software-Aktualisierungen berücksichtigt. Apple schloss die Lücke in den aktuellen Beta-Versionen seiner Betriebssysteme, die demnächst für alle verfügbar sein sollten. Ob die "Patches" auch für ältere Versionen der Betriebssysteme kommen werden, war zunächst unklar. Experten gehen insbesondere beim Google-Betriebssystem Android davon aus, dass etliche Gerätehersteller nur mit großer zeitlicher Verzögerung oder gar nicht ein Update liefern werden.

Der populäre Internet- und WLAN-Router " Fritzbox " ist nach Angaben des Berliner Herstellers AVM von der Sicherheitslücke nicht betroffen. Das Gerät verwende als Access Point die betroffene Norm 802.11r nicht, teilte AVM am Dienstag mit. Die praktische Bedeutung der Krack-Lücke sei wegen der hohen Voraussetzungen für einen erfolgreichen Angriff "gering". Zu keiner Zeit sei es mit der Sicherheitslücke möglich gewesen, vollständiger Teilnehmer eines fremden WLANs zu werden.

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