Der falsche Einsatz von Antibiotika hat schwerwiegende Folgen - der Experte klärt darüber auf, was wir wissen sollten
Wer hätte das gedacht? Bakterien, Viren und Pilze machen rund zwei Kilogramm unseres Körpergewichts aus – sie leben zu Billiarden in unserem Organismus und erfüllen dort meist lebenswichtige Aufgaben.
Doch es kommt auch vor, dass Bakterien in unseren Körper gelangen und Krankheiten auslösen. Unser Immunsystem ist oft nicht imstande, allein mit den „Eindringlingen“ fertig zu werden. Unterstützend greifen wir zu Medikamenten, die Abhilfe versprechen. „Liegt dem Infekt eine bakterielle Ursache zugrunde“, so der Wiener Immunologe Prim. Priv.-Doz. Dr. Peter Peichl, MSc, „sind Antibiotika das Mittel der Wahl.“ Was er allerdings auch weiß: „Oft werden Antibiotika falsch eingesetzt – sie werden zu lange, zu kurz, zu viel oder aber auch bei Erkrankungen, die keine Antibiotikatherapie indizieren, eingenommen.“ Die Folge: Bakterien bilden Resistenzen und machen Antibiotika machtlos. Zudem wird die natürliche, lebenswichtige Bakterienflora des Körpers zerstört.
Multiresistente Keime
Erschreckend ist, dass der größte Anteil der Antibiotika – in Österreich rund 60 Tonnen jährlich – in der Masttierhaltung zum Einsatz kommt. „Auf diesen Weg gelangen die Antibiotika über die Nahrung in den natürlichen Kreislauf des Menschen und begünstigen im Organismus das Entstehen sogenannter Resistenzen“, warnt der Experte. Das kann sogar so weit gehen, dass bestimmte Bakterien auf keine Antibiotika mehr ansprechen – sie sind multiresistent und die Medizin machtlos. Bereits jetzt sind jährlich rund 700.000 Todesfälle weltweit auf multiresistente Keime zurückzuführen. Findet keine Veränderung statt, werden die Zahlen künftig steigen.
Trend: Weniger ist mehr!
„Der Trend geht glücklicherweise in die richtige Richtung“, entwarnt Dr. Peichl. „Die Medizin ist bemüht, die Therapiedauer – bis auf einige Ausnahmen – unter einer Woche zu halten.“ Zudem sind Erkrankte dazu angehalten, Antibiotika ausnahmslos nach Rücksprache mit einem Arzt und dem Therapieplan entsprechend einzusetzen – denn Resistenzen können jeden treffen.
Das sollten Sie über Antibiotika wissen:
Die wichtigsten Antibiotika-Fakten
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Was sind Antibiotika?
Antibiotika sind Medikamente, die gegen Bakterien gerichtet sind – einerseits, um die Bakterien zu töten oder andererseits, um deren Wachstum zu hemmen.
Welche Arten gibt es?
Um Antibiotika differenzieren zu können, stellt sich die Frage, gegen welche Bakterien sie gerichtet werden sollen. Die Medizin unterscheidet neben gramvariablen und -unbestimmten Arten die zwei Hauptgruppen „grampositiv“ und „gramnegativ“ – der Unterschied liegt hier im Aufbau der Zellwand. Vereinfacht gesagt, stellt sich die Frage, ob sich die Antibiotika gegen Keime, die in der Luft vorkommen (z. B. Pneumokokken bei Lungenentzündung), oder gegen Keime, die ohne Sauerstoff auskommen (z. B. im Urogenitaltrakt, Darm), richten. Prinzipiell werden aber alle Antibiotika, mit Ausnahme einiger weniger Salben, oral verabreicht – von lokaler Anwendung wird, ob des erhöhten Allergierisikos, abgeraten.
Wogegen werden sie eingesetzt?
Antibiotika werden ausschließlich gegen Bakterien eingesetzt. Häufige Beispiele für bakterielle Infektionen, die einer Antibiotikatherapie bedürfen, sind Lungenentzündung, Divertikulitis, Meningitis, Harnwegsinfekte oder eine akute Nasennebenhöhlenentzündung mit grüner Sekretbildung.
Wogegen helfen sie nicht?
Da, wie bereits erwähnt, Antibiotika ausschließlich bei bakteriellen Infekten wirksam sind, helfen sie bei allen Krankheiten, denen keine bakterielle Ursache zugrunde liegt, NICHT. Klassisches Beispiel wären typische virale Infekte der oberen respiratorischen Organe (obere Atemwege).
Antibiotika und Grippe
Da die Grippe durch Orthomyxoviren ausgelöst wird, sind Antibiotika zur Bekämpfung nicht geeignet. Erkranken allerdings immunschwache Personen (chronisch Kranke, Ältere) an der Grippe, können zur Prävention vor sogenannten Superinfektionen (meist eine Lungenentzündung) Antibiotika verabreicht werden. Eine aufgetretene bakterielle Superinfektion ist in jedem Fall mit Antibiotika zu therapieren.
Wie bilden sich Resistenzen?
Hauptrisikofaktor für die Bildung von Resistenzen ist eine falsche Einnahme – zu viel, zu lang oder zu kurz. Hinzu kommt, dass die meisten Antibiotika, und das belegen Studien, in der Tiermast zum Einsatz kommen. Durch den Konsum von belastetem Fleisch gelangen – wenn auch meist nur kleine Spuren – Antibiotika in den natürlichen Kreislauf. Nun liegt es in der Natur der Bakterien, dass sie sich gegen diesen „Angriff“ zur Wehr setzen – sie bilden Resistenzen. Deshalb: Nicht leichtsinnig einnehmen!