Privatsphären-Problem oder Innovation? Dieses neue "digitale" Medikament sorgt für Aufregung
Die US-Lebensmittel- und Medikamentenbehörde (Food and Drug Administration, kurz: FDA) hat kürzlich ein neuartiges Medikament für den Markt zugelassen, das stark umstritten ist. Es nennt sich Abilify MyCite.
Neuartige Funktionsweise
Die Pille ist mit einem sandkorngroßen Sensor ausgestattet, der Daten an ein Lesegerät übertragen kann. Dieses kleine Lesegerät trägt der Patient äußerlich und kann die Daten wiederum weiter in eine Smartphone-App einspeisen. Der Patient soll dann entscheiden, ob die gespeicherten Daten zur Pilleneinnahme von anderen gesehen werden können – etwa vom behandelnden Arzt oder Angehörigen. Damit wissen jene Menschen mit Freigabe, wann das Medikament eingenommen wurde und wann nicht.
Doch warum könnte diese Einnahmeinfo so wichtig sein? Darum, weil es sich um ein ganz bestimmtes Medikament handelt, das vor allem zur Behandlung von Schizophrenie und bipolarer Störung eingesetzt wird. Für entsprechend Erkrankte ist eine scheinbar einfache Pillen-Einnahme ein Problem, da sie abhängig von Krankheitsverlauf und Tagesverfassung die Einnahme verweigern oder vergessen könnten. In vielen Fällen kann nämlich schon eine vergessene Dosis deutliche Auswirkungen auf Zustand und Genesungsfortschritt eines Patienten haben.
Kritik an Überwachung
Abgesehen von der Einnahme kann Abilify MyCite auch Schlafgewohnheiten und -muster, Aktivität und Bewegung und Herzfrequenz auslesen und speichern. Das Lesegerät muss allerdings wöchentlich durch ein neues ausgetauscht werden.
Die Entwicklung wird nicht allerorts positiv aufgenommen. Kritische Stimmen sprechen von totaler Überwachung der Patienten und Einschränkung der Privatsphäre. Dass der Patient selbst kontrolliert, ob und an wen die Daten gesendet werden, mildert die Sorge nur wenig. Ameet Sarpatwari von der Harvard Medical School sagte gegenüber der New York Times, dass „die Pille das Potenzial hat, die öffentliche Gesundheit deutlich zu verbessern“, aber dass sie „falls unsachgemäß verwendet, mehr Misstrauen als Vertrauen erzeugen könnte.“