Der ständige Drang sich zu reinigen, Gegenstände zu ordnen oder zu zählen sind häufige Formen einer Zwangsstörung. Hier die wichtigsten Fakten!
So genial der kriminalistische Spürsinn, so nervtötend wirken seine Marotten auf die Menschen in seiner Umgebung. Das symmetrische Anordnen von Gegenständen, das Trinken nur einer bestimmten Sorte Sodawasser und die panische Angst, Personen oder Gegenstände zu berühren – diese Zwangsrituale kennzeichnen den neurotischen Privatdetektiv Adrian Monk. Neben einer Vielzahl spezifischer Phobien leidet die Hauptfigur der gleichnamigen US-amerikanischen Krimiserie unter einer Zwangsstörung, bei der Zwangshandlungen im Vordergrund stehen.
Diagnose
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Zeitraum:
Die Zwangsgedanken/-handlungen treten über mindestens zwei Wochen an den meisten Tagen auf.
Einschätzung:
Sie werden als eigene Gedanken oder selbst gesteuerte Handlungen eingeschätzt (dadurch Unterscheidung von Psychosen).
Empfindungen:
Sie werden als unangenehm und unangemessen empfunden.
Vermeidung:
Dem Betroffenen gelingt eine Unterdrückung der Gedanken oder Handlungen nicht lange.
Auswirkung:
Das Alltagsleben wird dadurch beeinträchtigt.
Andere Erkrankung:
Die Zwangsgedanken/-handlungen treten nicht als Symptome einer anderen psychischen Erkrankung auf (beispielsweise Schizophrenie).
Zwänge bestimmen das Leben
Was in der TV-Serie lustig erscheinen mag, zeigt sich im realen Leben von einer düsteren Seite. Personen, die an Zwangsstörungen – dazu zählen neben Zwangshandlungen auch Zwangsgedanken – erkrankt sind, leiden meist sehr stark unter ihrem Verhalten. Ihr Alltag wird durch Zwänge, je nach Art (siehe Seite 37) und Ausprägung stark beeinträchtigt. Dies kann sogar soweit gehen, dass der Betroffene sich völlig aus dem sozialen Leben zurückzieht und die Wohnung nicht mehr verlässt.
Die wichtigsten Fakten im Überblick
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Definition
Zwangserkrankungen – eine besondere Form der Angststörung – zählt zu den psychischen Störungen. Dabei drängen sich immer wieder die gleichen Gedanken (Zwangsgedanken) auf oder es müssen bestimmte Handlungen ständig wiederholt werden (Zwangshandlungen). Etwa zwei Drittel der Betroffenen leiden unter beiden Arten.
Zwangshandlungen
Die häufigsten Formen der Zwangshandlungen sind:
Reinigungs-/ Waschzwänge: Die Betroffenen verspüren panische Angst oder Ekel vor Schmutz, Keimen oder Körperflüssigkeiten. Das damit verbundene Unbehagen führt zu exzessiver Reinigung der Wohnung, des Körpers, der Hände sowie der Vermeidung von Kontakt beziehungsweise Berührungen der als Bedrohung empfundenen Gegenstände, Situationen und Menschen.
Kontrollzwänge: Betroffene können nicht die Wohnung verlassen, ohne mehrmals kontrolliert zu haben, ob der Herd, der Wasserhahn abgedreht, das Licht ausgeschaltet oder die Wohnungstür verschlossen ist. Oft führt es dazu, dass die Person die Wohnung überhaupt nicht mehr verlässt.
Sammelzwänge: Es ist nahezu unmöglich, etwas wegzuwerfen. In der Wohnung stapeln sich alte Zeitungen oder leere Flaschen, im Extremfall sogar der Hausmüll. Betroffene werden häufig als „Messies“ bezeichnet.
Ordnungszwänge: Selbst auferlegte strenge Ordnungskriterien müssen eingehalten werden. Jegliche Art von Unordnung – sei es ein verrückter Gegenstand, ein schief aufgehängtes Bild oder nicht exakt aufeinander liegende Wäsche im Schrank – machen die Betroffenen nervös. Der Drang, die Ordnung penibel wieder herzustellen, wird unerträglich.
Wiederhol- und Zählzwänge: Ganz alltägliche Handlungen, etwa Zähne putzen, werden immer eine bestimmte Anzahl lang wiederholt oder Bücher im Regal oder Pflastersteine immer wieder gezählt.
Berührungszwang: Die Betroffenen leiden unter dem Drang, bestimmte Gegenstände, Personen oder Körperteile immer wieder berühren zu müssen. Beispielsweise beim Vorbeigehen Gegenstände mit der Hand kurz, mehrere Male oder für einen bestimmten Zeitraum zu berühren.
Zwangsgedanken
Zwangsgedanken sind Ideen, Vorstellungen oder Impulse, die sich dem Betroffenen ohne seinen Willen aufdrängen und zum Glück selten in die Tat umgesetzt werden. Sie haben meist aggressive, sexuelle oder religiöse Inhalte. Beispielsweise jemand anderen zu attackieren, umzubringen oder sexuell zu misshandeln. Eine weitere Form der Zwangsgedanken sind Grübelgedanken, wo der Betroffene sich immer wieder ausmalt, dass er schwer erkranken, überfahren und jämmerlich sterben wird.
Ursache
Die Ursachen einer Zwangsstörung sind derzeit noch nicht vollständig erforscht. Vermutet werden genetische Veranlagung, traumatische Erfahrungen, Lernerfahrungen in der Kindheit, Störungen bestimmter Hirnfunktionen beziehungsweise der Hirnbotenstoffe (Serotonin, Dopamin).
Behandlung:
Medikamentöse Therapie:
Zur Behandlung von Zwangsstörungen zeigen Mittel, die positiv auf die Stimmung wirken (selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer) gute Erfolge. Da es jedoch nach Absetzen der Medikamente zu einem erneuten Auftreten kommen kann, empfiehlt sich eine Kombination mit Psychotherapie.
Kognitive Verhaltenstherapie:
Diese Therapieform gilt als Methode der Wahl. Der Betroffene setzt sich unter Begleitung seines Therapeuten mit den zwangsauslösenden Reizen schrittweise auseinander, lernt mit den aufkommenden Gefühlen umzugehen und es wird ein Alternativverhalten zum Zwang erarbeitet. Bei der kognitiven Verhaltenstherapie wird der Betroffene unter Anleitung so lange mit dem Auslöser konfrontiert, bis die Angst abklingt.
Prognose und Verlauf
Erste Symptome einer Zwangsstörung treten häufig bereits in der Jugend auf. Die Ursachen dafür sind bis heute nicht ausreichend erforscht. Eine Zwangserkrankung kann sich als sehr hartnäckig erweisen. Viele Betroffene erleben über Jahre ein Auf und Ab der Symptome, bei einigen Patienten verschwinden diese vorübergehend auch völlig. So verschieden die Ausprägungen, so unterschiedlich sind auch die Erfolgsaussichten einer Behandlung. Vollständig beseitigen lassen sich Zwangsstörungen oft nicht, die Zwänge können jedoch auf ein erträgliches Maß reduziert werden.
Zwangsstörung bei Kindern
Wiederholungs- und Kontrollhandlungen können auf Zwänge bei Kindern und Jugendlichen hinweisen. Oft werden sie jedoch erst spät erkannt.
Wenn Kinder Zwänge entwickeln:
Harmlose Rituale
Kinder entwickeln häufig vorübergehende Rituale. Sie lieben beispielsweise die tägliche Wiederholung eines Einschlafrituals, spielen immer wieder das gleiche Spiel. Solche Entwicklungsrituale sind meist Teil einer normalen Entwicklung und geben dem Kind Struktur und Sicherheit – insbesondere, wenn sie im Rahmen von Veränderungen, wie einem Umzug, Trennung der Eltern oder Wechsel vom Kindergarten in die Schule – auftreten. Zwänge als Ausdruck einer ernsthaften psychischen Störung werden daher oft nicht rechtzeitig erkannt.
Typische Zwangssymptome
Eine Zwangsstörung kann aus Zwangsvorstellungen, Zwangsgedanken, Zwangsimpuls oder zwanghaften Handlungen bestehen. Ein Kind kann beispielsweise die Vorstellung haben, seinen Eltern könnte etwas Schreckliches passieren, verspürt den Impuls, jemanden zu verletzen oder beginnt zwanghaft alles zu zählen, zu ordnen oder sich ständig die Hände zu waschen. Oft gehen die Symptome mit Begleiterscheinungen wie Depression, Angst- oder Essstörungen einher. Für Kinder und Jugendliche sind Zwangserkrankungen sehr belastend und quälend, da sie die zwanghaften Handlungen oder Gedanken kaum deuten oder einschätzen können.
Rechtzeitig behandeln
Erfolgt eine Behandlung nicht rechtzeitig, kann es zur Chronifizierung kommen und die Störung bis ins Erwachsenenalter fortbestehen. Zwangsstörungen im Kindes- und Jugendalter werden in erster Linie durch Psychotherapie, an der sich auch die Familie beteiligen sollte, behandelt. Medikamente werden nur in schweren Fällen eingesetzt.
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Was können Eltern tun:
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Zwänge nicht verstärken
In Stresssituationen werden Zwänge grundsätzlich stärker. Schimpfen oder Ablehnung des Kindes führt daher sicher nicht zu einem Rückgang, sondern eher zu einer Verstärkung des Zwangsverhaltens. Zeigen Sie Verständnis und Geduld. Geben Sie dem Kind das Gefühl, dass es in Sicherheit ist. Sie sollten Ihr Kind aber nicht bei den Zwangshandlung unterstützen (etwa durch häufiges Überprüfen, ob die Türe wirklich zu ist).
Rechtzeitig zur Therapie
Eltern sollten akzeptieren, dass die Hilfe eines gut ausgebildeten Therapeuten notwendig ist und unbedingt eine kinderpsychiatrische/psychologische Diagnostik durchführen lassen. Eine Behandlung sollte so früh wie möglich erfolgen.
Möglichst normaler Alltag
Lassen Sie die Erkrankung des Kindes oder Jugendlichen nicht gänzlich Ihren Alltag bestimmen. Oft werden die Ressourcen der Familie durch die Zwangsstörung so in Anspruch genommen, dass kaum noch Freiraum für angenehme gemeinsame Aktivitäten bleibt. Das bedeutet, das Kind erhält Aufmerksamkeit und Zuwendung durch die Störung. Planen Sie daher bewusst Zeit für gemeinsame Beschäftigungen ein und konzentrieren Sie Ihre Zuwendung und Anerkennung auf Fortschritte bei der Bewältigung der Zwänge.
Eigenes Verhalten prüfen
Überprüfen Sie Ihr eigenes Verhalten, ob Sie nicht vielleicht selbst unter Zwängen leiden. Haben Sie die Befürchtung, an einer Zwangsstörung erkrankt zu sein, suchen Sie professionelle Hilfe.