Finger weg von Verboten! Will man die Ernährungsgewohnheiten der Familie zum Positiven verändern, sollte man auf das „Du darfst“-Prinzip setzen. Der Experte gibt alltagstaugliche Empfehlungen ab und verrät, wie Sie Gesundes schmackhaft machen.
Wenn wir sollen, dann wollen wir meistens nicht. Das gilt für Klein und Groß – und vor allem in Sachen Ernährung. Verbote respektive Empfehlungen mit erhobenem Zeigefinger hält Univ.-Prof. Dr. Kurt Widhalm, Präsident des Ö. Akademischen Instituts für Ernährungsmedizin (ÖAIE) und Initiator des Vorsorge-Projektes EDDY, für kontraproduktiv, wenn es darum geht, Menschen zu gesunder Ernährung zu animieren. Er setzt deshalb auf das 2011 entwickelte „Du darfst“-Prinzip der Harvard Medical School. Eine Tellergrafik (s. Seite 14) samt Glas und Karaffe vermittelt praxisnah, welche besonders empfehlenswerten Nahrungsmittel unbedingt auf den Tisch sollten und in welchem Verhältnis zueinander uns Gemüse, Obst, Getreideprodukte aus Vollkorn sowie gesunde Proteine besonders gut versorgen. Das Konzept kommt ohne Verbote aus. „Schlechte Lebensmittel“, so Prof. Widhalm, „gibt es nicht. Es kommt auf die Gesamternährung an!“
Warum nimmt mein Kind zu?
Wie viel von welchen Lebensmitteln ein Kind verzehren sollte respektive darf, um normalgewichtig und gesund zu bleiben, ist höchst individuell und lässt sich zu einem hohen Prozentsatz auf die Genetik zurückführen. „Manche Menschen können Energie besser verwerten als andere. Ob wir gute oder schlechte Verbrenner sind und wie wir uns ernähren, das hängt in 40 bis 70 Prozent von unseren Anlagen ab. Evolutionsbedingt haben sich Gene durchgesetzt, die einen geringen Energieverbrauch begünstigen.“ Was einst – in kargen Zeiten – das Überleben sicherte, hat in Zeiten, in denen Essen, vor allem industriell verarbeitete Nahrung (enthält versteckte Zucker und Fette), immer und überall im Überfluss zur Verfügung steht, einen großen Nachteil. Bei schlechten Futterverwertern gerät das Gleichgewicht zwischen Energiezufuhr und -abgabe schneller aus der Balance und Fett wird perpetuierend eingelagert.
Übergewicht lässt sich anhand des BMI (Body Mass Index) messbar machen. Eine Studie, die Prof. Widhalm im Rahmen des EDDY-Projekts an einer Wiener Schule durchführte, zeigte, dass 40 Prozent der Kinder übergewichtig sind. Neun Prozent (in Bezug auf die Gesamtgruppe) leiden an Adipositas, drei an extremer Adipositas.
„Essenziell“, so Prof. Widhalm, „ist, dass sich Eltern von zu Übergewicht neigenden Kindern bewusst werden, dass Adipositas im Kindesalter lebenslang gesundheitliche Folgen nach sich zieht.“ So treten über kurz oder lang Knorpelschäden, Knochenveränderungen, Asthma, Allergien und Kreislauferkrankungen bei übergewichtigen Kindern häufiger auf als bei normalgewichtigen. Als Konsequenz von schlechter Ernährung, Übergewicht und Bewegungsmangel droht zudem Diabetes Typ 2 – bereits bei Jugendlichen.
Unterstützung für die ganze Familie
„Neigt ein Kind“, so Prof. Widhalm, „zu Übergewicht, „sind auch meist Familienmitglieder betroffen. Die Gewichtszunahme wird dann häufig als Schicksal betrachtet. Doch die Genetik ist nur die Basis. Kinder haben den Vorteil, dass sie sich im Wachstum befinden. Wird das Gleichgewicht zwischen Energiezufuhr und -abgabe hergestellt, wächst sich das Übergewicht sozusagen aus. Dafür ist allerdings eine strukturierte Umstellung der Ernährungsgewohnheiten gefordert, an der sich die ganze Familie beteiligen sollte.“ Prof. Widhalm verrät alltagstaugliche, leicht umsetzbare Ernährungsleitlinien, die die Gesundheit aller unterstützen, Übergewicht vorbeugen respektive bei der Erreichung des Normalgewichts helfen.
1. Wir dürfen: so viel Gemüse wie wir wollen
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