600 Tausend Österreicherinnen und Österreicher leiden an Diabetes, Tendenz steigend. Die chronische Erkrankung wird mit zahlreichen Folgebeschwerden in Zusammenhang gebracht. Über die häufigsten Risikofaktoren und beste Prävention.
Ein Drittel aller Diabetes-Erkrankten ahnt nicht, dass sie zuckerkrank sind. Anfänglich milde oder ausbleibende Symptome und fehlende Routinechecks sind meist die Gründe dafür, weshalb die sehr verbreitete Stoffwechselerkrankung lange Zeit unentdeckt bleibt und im Stillen Schaden anrichten kann. Der Großteil der Betroffenen leidet an Diabetes mellitus Typ 2.
Was bedeutet „zuckerkrank“?
Wenn Zucker, der aus der Nahrung freigesetzt wird, zulange im Blutkreislauf verbleibt, dann ist eine gestörte Insulin-Aktivität die Ursache. Das Hormon ist nämlich für den Abtransport von Zucker aus dem Blut in die Zellen verantwortlich. Entweder, es wird zu wenig Insulin vom Pankreas (Anm.: Bauchspeicheldrüse) produziert, oder das ausgeschüttete Insulin kann aufgrund einer entwickelten Unempfindlichkeit („Insulinresistenz“) nicht oder nur in zu geringem Maße wirken. Der chronische Zuckerüberschuss im Blut bewirkt, dass die Bauchspeicheldrüse die Insulinproduktion weiter hochfährt, was nach einiger Zeit zu einer Überforderung des Organs und einer Abnahme seiner Funktion führt. In Folge muss der Blutzucker künstlich, mithilfe von Medikamenten, gesenkt und/oder Insulin zugeführt werden.
Kein isoliertes Erkrankungsbild
Ein gestörter Zuckerstoffwechsel ist kein isoliertes Problem. Im Gegenteil: Zwangsweise zieht er viele verschiedene Bereiche des Organismus in Mitleidenschaft. Eine solche Leidtragende ist die Herz-Kreislauf-Gesundheit: Diabetes schädigt nachweislich die Gefäße und korreliert häufig mit Bluthochdruck und Arteriosklerose. Beide Folgeerkrankungen stellen akute Risiken für lebensbedrohliche Schlaganfälle und Herzinfarkte dar. Ein erkranktes Nervensystem ist ebenfalls eine häufige Begleiterscheinung auf der langen Liste der Diabetes-Folgen: Die Nerven können durch erhöhten Blutzucker geschädigt werden, wodurch es häufig zu Empfindungsstörungen (Verlust oder Einschränkung des Empfindens) oder Schmerzen kommt, besonders in den Gliedmaßen. Auch Durchblutungsstörungen treten bei fortgeschrittenen Erkrankungen oftmals auf. Ein großes Problem ist die verschlechterte Wundheilung: Es kommt zum Auftreten chronischer Wunden und Geschwüre. (Dauerhaft bestehende Wunden können eine Amputation der betroffenen Körperteile nötig machen.) Die verschlechterte Durchblutung kann sich auch gravierend auf die Sehkraft auswirken: Diabetes ist hierzulande eine der häufigsten Ursachen für Erblindung. Auch die Nieren sind eines jener Organe, das unter mangelnder Blutzuckerregulierung leidet und Schaden nehmen kann. Erhöhte Gefahr gilt auch, wenn erst die (häufig unerkannte) Vorstufe von Diabetes, der Prädiabetes, vorliegt: „Denn bereits der Prädiabetes geht mit erhöhtem kardiovaskulären Risiko einher“, so Univ.-Prof. Dr. Harald Sourij, Erster Sekretär der Österreichischen Diabetes Gesellschaft (ÖDG), im gesund&fit-Interview. „Oft bestehen bereits Begleiterkrankungen. Fünf bis sechs Prozent der Erwachsenen in unseren Breiten haben einen Prädiabetes.“
Frühe Therapie reduziert Risiken
Um Folgerisiken möglichst zu minimieren, ist die Früherkennung von Diabetes nötig. Genau diese jedoch bleibt häufig aus und die Erkrankung schreitet im Stillen voran. Expertinnen und Experten schätzen die Dunkelziffer der in Österreich lebenden Diabetiker auf rund 200.000 – so viele Menschen leiden an der gefährlichen Erkrankung, ohne davon zu wissen oder die entsprechend richtige Therapie zu erhalten. Besonders junge Menschen wissen um ihr eigenes Diabetes-Risiko häufig nicht Bescheid, dabei sinkt das Alter der Erkrankten zunehmend. Schon im Jugendalter kann die Erkrankung auftreten. Zurückzuführen ist diese Tatsache auf ungesunde Gewohnheiten, die Kinder und Jugendliche heute genauso leben wie Erwachsene. Diese Entwicklung bedeutet nicht nur, dass Betroffene weitaus länger mit der Erkrankung leben, sondern auch, dass die Folgerisiken weitaus früher und ausgeprägter auftreten können. Dieser Anstieg ist vor allem bei Typ-2-Erkrankungen der Fall, da diese Diabetesform häufig mit dem Lebensstil verknüpft ist. Allerdings ist nicht nur der Lebensstil schuld: „Diabetes hat einen sehr hohen erblichen Hintergrund“, so Univ.-Prof. Dr. Susanne Kaser, Präsidentin der Österreichischen Diabetes Gesellschaft, im gesund&fit-Interview. „Aber dieses Risiko kann durch eigenes Tun erhöht oder gesenkt werden.“ Es erhöht sich etwa bei Übergewicht, zu wenig Bewegung und falscher Ernährung: zu hochkalorisch, zu viele gesättigte Fette und zu viele Einfachzucker. Auch das Laster Rauchen ist einem Diabetes zuträglich.
Univ.-Prof. Kaser merkt an, dass Patientinnen und Patienten jedoch oft zu unrecht stigmatisiert würden: „Diabetes ist keine Lebensstilerkrankung, an der man schlicht selbst schuld ist, weil man etwas Falsches gegessen hat.“ Viele Faktoren spielen hierbei zusammen.
„Alters-“ vs. „Jugenddiabetes“
Während zwar der Großteil (85 bis 90 Prozent) aller Diabetes-Diagnosen dem Typ 2 zugeschrieben werden, existiert auch noch eine andere Hauptform des Diabetes, nämlich der Typ 1. Diabetes Typ 1 – oft auch „Jugenddiabetes“ genannt, zur Abgrenzung von „Altersdiabetes“/Typ 2 – ist eine Autoimmunerkrankung. Sie tritt meist schon im Kindes- oder Jugendalter auf (Ausnahme: „LADA“-Diabetes, engl. „Late Autoimmune Diabetes in Adults“, dt. Später Autoimmun-Diabetes bei Erwachsenen) und ist von einem Insulinmangel gekennzeichnet. Auch die Zahl der Typ-1-Diabetiker steigt weltweit. „Wir wissen noch nicht, warum das so ist – denn das hat nichts mit Ernährung oder anderen Lebensstilfaktoren zu tun“, so ÖDG-Präsidentin Kaser. „Wir kennen auch die Ursachen für Diabetes Typ 1 noch immer nicht genau. Wahrscheinlich ist, dass eine Fehlleitung des Immunsystems entsteht – aufgrund erblicher Veranlagung und wahrscheinlich einer zusätzlichen viralen Infektion.“
Diagnose und Behandlung
Bei der Diagnose einer Diabetes-Erkrankung sowie bei der adäquaten Therapie sind zwei Werte entscheidend: der HbA1c-Wert, auch „Langzeitzucker“ genannt, sowie der „Nüchternzucker“-Wert, im Laborergebnis meist als „Glukose“ angeführt. Den Leitlinien der ÖDG entsprechend wird ein Diabetes mellitus ab einem HbA1c-Grenzwert von 6,5 Prozent diagnostiziert. Werte von 5,7 bis 6,4 Prozent gelten als Prädiabetes und lassen wissen, dass der Patient, die Patientin ein massiv erhöhtes Risiko hat, in den nächsten Jahren an Diabets mellitus zu erkranken. Ein „Nüchternzucker“ über 126 mg/dl gilt ebenfalls als Diagnosekriterium. Neben Lebensstilmodifikationen wie Gewichtsmanagement nimmt die medikamentöse Therapie die zentrale Rolle ein: Als Standard und Basis-Therapie gilt die Verordnung von Metformin. Das besonders häufig eingesetzte Arzneimittel hemmt die Neubildung von Glukose in der Leber.
Je nach Bedarf werden dem Therapieplan weitere, möglichst auf das individuelle Patientenprofil abgestimmte zusätzliche Wirkstoffe: z. B. die hochmodernen SGLT-2-Hemmer, die neben der Blutzuckersenkung auch günstig auf Herz und Nierenfunktion wirken, oder die sogenannten GLP-1-Rezeptoragonisten, die neben dem Blutzucker auch das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse, also Herzinfarkt und Schlaganfall, reduzieren. Auch die Gabe von Insulin ist für viele eine wichtige Säule der Therapie.
❯❯ Symptome früh erkennen
✏ Erhöhte Harnmenge
Häufigeres Urinieren, vor allem nachts, kann ein Anzeichen für eine Diabetes-Erkrankung sein.
✏ Vermehrter Durst
Tritt der häufigere Harndrang zusammen mit vermehrtem Durst auf, so gilt besonderer Verdacht.
✏ Schlechte Wundheilung
Ebenfalls typisch für Diabetes sind häufigere Hautirritationen und Probleme bei der Wundheilung.
✏ Sehschwäche
Bemerken Sie ein Abnehmen Ihrer Sehschärfe? Eine bestehende Zuckerkrankheit könnte schuld sein.
✏ Unspezifische Symptome
Häufige Müdigkeit, Konzentrations- und Leistungsschwächen und viele andere unspezifische Symptome können ebenfalls mit Diabetes in Verbindung stehen.
Mit diesen Strategien beugen Sie Diabetes vor:
1. Gesunder BMI & Umfang
2. Blutdruck senken
3. Gesunde Ernährung Blutfettwerte Die Blutfettwerte werden meist direkt durch die Ernährung beeinflusst und können das Diabetes-Risiko senken oder erhöhen. Lassen Sie Triglyzeride, HDL-und LDL-Cholesterinwerte regelmäßig testen, um Risiken zu erkennen. Bevorzugen Sie gesunde Fette (z. B. Olivenöl extra, Fisch, Nüsse), aber behalten Sie die hohe Kaloriendichte im Auge!
4. Ausreichend Bewegung |
❯❯ Fokus: Insulin
✏ Aufgabe von Insulin
Das Hormon reguliert den Zuckerstoffwechsel in Organen und Zellen. Es wird in der Bauchspeicheldrüse (Pankreas) produziert.
✏ Normaler Ablauf
Ist die Insulinaktivität gesund, so wird zugeführte Glukose aus der Nahrung mithilfe der passenden Menge Insulin in die Zellen zur Energiegewinnung befördert. Die Glukose verbleibt so nur kurze Zeit im Blut, was den Zuckerwert zwar rasch ansteigen, aber dann auch wieder sinken lässt.
✏ Störung
Bei einer Diabetes-Erkrankung funktioniert dieser Abtransport der Glukose nicht wie vorgesehen und der Zucker bleibt zu lange im Blutkreislauf. Entweder, es wird zu wenig Insulin vom Pankreas produziert, oder das ausgeschüttete Insulin kann aufgrund einer entwickelten Unempfindlichkeit (= Resistenz) nicht richtig wirken.