Großer Erfolg für die Strawinsky-Premiere im Theater an der Wien. Die erwarteten pikanten Szenen blieben aus.
Auf der Bühne ständig ein Fernseh-Bildschirm inmitten des Mobilars. Den ganzen Theaterabend lang läuft Programm und lenkt ab von der Opernhandlung, obwohl die TV-Bilder irgendwie dazugehören. Denn Martin Kusej hat ein paar Szenen inszeniert, die Eindrücke aus unserer Fernseh-Scheinwelt reflektieren sollten. Nikolaus Harnoncourt dirigierte dazu Igor Strawinskys "The Rake's Progress". Das war manchmal sogar kongruent.
Strawinsky hat mit Witz, Wehmut und artistischem Geschick eine Paraphrase auf Barock und Frühklassik komponiert, sich dafür von einem Dichter (Auden) ein poetisches, auch sarkastisches Libretto schreiben lassen. Strawinsky eilt durch die Musikgeschichte, zitiert sie, verbiegt und ironisiert diese Zitate. Harnoncourt schien die Ironie weniger zu beachten als die oft anklingende Wehmut. Seine Interpretation wirkte wie ein elegischer Abschied auch dort, wo Strawinskys Musik funkeln sollte (Orchester: Wiener Symphoniker).
Keine Gefahr für die Jugend
Kusej konfrontiert diese
historisierenden Töne mit der Welt von 2008. Tom, ein junger Mann, will
Ruhm, Reichtum, Auffälligkeit, Sex, er spekuliert und verliert zuletzt
alles. Ehe ihn der Teufel holt, verfällt er dem Wahnsinn. Das spielt sich in
einem variablen Zimmer ab (Bühne: Annette Murschetz). Dieses dient auch als
Swinger-Club, in dem Kopulation simuliert wird, was angesichts vieler
schlaffer Glieder weder erotisch noch jugendgefährdend, sondern eher komisch
wirkt. Vor den Fensterscheiben befindet sich später ein Swimmingpool, in den
sich Tom lustvoll hineinfallen läßt.
Toby Spencer ist dieser Tom, und er ist großartig. Ein Bild von einem Mann, auch im Slip, mit Charme, guter Tenorstimme, perfektem Vortrag. Ihm gleichwertig die Partner Adriana Kucerová, Anne Sofie von Otter, Alastair Miles. Ihnen verdankt man starke Rollenprofilierung und ausdrucksvollen Gesang.