Neu von Gianluigi Nuzzi

Vatikan-Thriller erregt die Gemüter

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In Nuzzis „Alles muss ans Licht“ wird der Vatikan investigativ zerlegt.

Das am Mittwoch vor Hunderten Journalisten in Rom präsentierte Aufdecker-Buch „Alles muss ans Licht – Das geheime Dossier über den Kreuzweg des Papstes“ (Ecowin) ist Dynamit zwischen Buchdeckeln: Der italienische Enthüllungsjournalist Gianluigi Nuzzi („Vatikan AG“) prangert darin, basierend auf streng geheimen Dokumenten jener Taskforce, die Franziskus zur Erhellung des Vatikan-Dschungels eingesetzt hat, Verschwendung und Missmanagement in der Kirche an. Der konservative Teil des Klerus ist außer sich. Vatikan-Staatsanwälte fordern Ermittlungen gegen Nuzzi. Vier starke Passagen:

»Alles muss ans Licht« 
von Gianluigi Nuzzi:

Die wirtschaftliche Lage, die die Revisoren beschreiben und die Papst Franziskus von Ratzinger geerbt hat, ist ausweglos und kommt einer Insolvenz nahe. Auf der einen Seite herrscht völlige Anarchie bei der Verwaltung von Ressourcen und Ausgaben, die unkontrolliert wachsen, auf der anderen Seite lähmen undurchsichtige Finanzgeschäfte und Günstlingswirtschaft jede Veränderung und ersticken im Keim die Entscheidungen, die bereits der frühere Papst aus Deutschland getroffen hatte. Und das war vielleicht auch der unausgesprochene Grund, warum Ratzinger sich zum Rücktritt entschloss: Er wollte das Ruder des Schiffs Petri einem anderen anvertrauen, der besser als er in der Lage wäre, die Nahtstellen der Macht aufzubrechen und den Sturm zu überstehen, in dem das wirtschaftliche Schicksal der Kirche und damit auch die Zukunft ihrer Heilsbotschaft auf dem Spiel stehen.

Im Herzen der Kirche klafft ein schwarzes Loch von Desinformation, Misswirtschaft, Verschleierung und Betrug. Sogar für den Papst ist es schwierig, sich ein Bild über die Verhältnisse zu machen. Nur dank der Taskforce, die dieser in einem in der Geschichte der Kurie beispiellosen Handstreich zur Klärung der Finanzverhältnisse des Vatikans ins Leben gerufen hat, erfährt der Papst schließlich, dass für die Ausgaben der römischen Kurie Mittel verwendet werden, die eigentlich für die Bedürftigen bestimmt sind. Ein Skandal: Geld, das Katholiken aus der ganzen Welt nach Rom schicken, um damit karitative Aufgaben zu finanzieren, gelangt nicht zu den Armen, sondern wird benützt, um die Finanzlocher der Kurie zu stopfen.

Ein Blick auf die Adresse der Kardinäle an der Spitze der Kurie genügt, um das zu bestätigen – und um herauszufinden, wo die Gelder landen, die eigentlich für karitative Aufgaben bestimmt sind. Luxuswohnungen im Herzen der Ewigen Stadt, von denen der Durchschnittskatholik nur träumen kann und die selbst Hollywoodstars vor Neid erblassen lassen. Schlagzeilen machte der Fall von Kardinal Tarcisio Bertone, der zwei Wohnungen im Obergeschoss des Palazzo San Carlo im Vatikan zu einer zusammenlegen ließ und nun eine Residenz von 700 Quadratmetern bewohnt. Und das ist keine Ausnahme, sondern die Regel. Kurienkardinale wohnen in geradezu fürstlichen Behausungen mit 400, 500, manchmal 600 Quadratmeter Nutzfläche. Und zwar allein, bestenfalls mit zwei oder drei Missionsschwestern, bevorzugt aus Entwicklungsländern, die ihnen den Haushalt führen, für sie kochen, putzen oder als Hilfspersonal fungieren.

Der Präfekt der APSA verdankt seine zweifelhafte Bekanntheit indes noch einer weiteren – für einen Kirchenmann nicht eben alltäglichen – Marotte: Er liebt Schusswaffen. Der Journalist Mario Molinari, der für die Savona News schreibt, berichtet von einer ansehnlichen Privatsammlung im Haus des Kardinals. Sie enthält verschiedene Revolver, eine Magnum Smith & Wesson Kaliber 357, ein Präzisions­gewehr Modell Remington 7400 und eine Pumpgun der Marke Hatsan Modell Escort, um nur einige Stücke aus dem reichen Arsenal des Kardinals zu nennen, das antike Feuerwaffen ebenso wie moderne Schusswaffen umfasst. Alles angemeldet und mit Waffenschein, versteht sich, und zum Schießen geht Eminenz in den heimatlichen Schützenverein, bei dem er seit 2003 eingetragenes Mitglied ist. Gefragt, was es denn mit dieser seltsamen Leidenschaft auf sich habe, soll Calcagno im Tonfall eines gutmutigen Landpfarrers geantwortet haben: „Keine Sorge, steht alles gut verschlossen im Waffenschrank!“

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