Anne Hathaway und Regisseur Jonathan Demme stellten am Lido ihren neuen Film, den Wettbewerbsbeitrag “Rachel Getting Married” vor. Das Pressegespräch nutzten sie nicht nur für Diskussionen über Geschwisterstreit sondern auch als Wahlkampfplattform für Barack Obama.
Man kennt sie als schüchterne Modeassistentin (“Der Teufel trägt Prada”) und zuletzt als toughe Agentin in stylishen Outfits (“Get Smart”). Jetzt beweist Anne Hathaway aber erstmals, dass sie (zumindest schauspielerisch) nicht nur in der glamourösen Welt der Oberflächlichkeiten zuhause ist: In Jonathan Demmes (“Das Schweigen der Lämmer”) neuem Film “Rachel Getting Married”, zu dem Sidney Lumets (“Die 12 Geschworenen”) Tochter Jenny das Drehbuch schrieb, ist die 25jährige Hathaway in der ersten Charakterrolle ihrer Karriere zu sehen: Eine ehemals drogenabhängige junge Frau die, seit 10 Jahren auf Entzug in der Rehabilitationsklinik, für die Hochzeit ihrer Schwester Rachel ein paar Tage “Heimaturlaub” bekommt.
Ex-Junkie
Die Geschichte des “schwarzen Schafes”, das zur Familie
zurückkehrt und damit alte Wunden aufreisst, ist zwar eine langgediente
Schablone, doch Demme gelingt (nicht zuletzt dank des Hochzeitssettings)
eine atmosphärisch packende, innovative Inszenierung mit hervorragender
Besetzung. Anne Hathaway überzeugt (u. a. durch deutlichen Gewichtsverlust)
als Ex-Junkie Kym, die mit aller Kraft ihr Leben unter Kontrolle bringen
will, aber an ihrer eigenen Vergangenheit und den Erwartungen anderer immer
wieder zu scheitern droht. Zwischen lautstarken Streitsequenzen und völlig
stillen Szenen, schafft Demme ein bewegendes, humoriges, und authentisches
Porträt einer zerrissenen und doch zusammengeschweissten Familie. “Die dafür
kämpft, miteinander in Harmonie zu leben”, wie Drehbuchautorin Jenny Lumet
beim Pressegespräch am Lido erklärte.
Wahlkampf-Talk
“Man kann sich seine Familie nicht aussuchen”, so
Lumet weiter. “Und so sehe ich das übrigens auch in Bezug auf die aktuelle
Situation in den USA. Aber wir können wählen. Also wählen wir Barack Obama.”
EIn paar Sekunden bescheidener Applaus der zahlreich anwesenden Journalisten später, hat Regisseur Demme den Bezug zu seinem Film wieder hergestellt: “Ich habe Tunde Adebimpe, der im Film den Bräutigam spielt, nicht ursprünglich als Afro-Amerikaner für diese Rolle gewählt. Ich hatte Paul Thomas Anderson gefragt. Aber mit Tunde bekommt die ganze Geschichte eine kleine ethnische Dimension, die ich persönlich für sehr schön und wichtig halte.”
Schön wollte Anne Hathaway in diesem Film übrigens nicht sein: “Ich wurde oft gefragt, warum ich denn so einen komplizierten, dunklen, teilweise unsympathischen Menschen spielen möchte”, erklärt sie. “Aber das ist meine erste Charakterrolle, die ich spielen durfe, da konnte ich doch nicht nein sagen. Ausserdem sehe ich Kym gar nicht so. Ich kann selbst verstehen, wie es ist, wenn man nicht so ist, wie dich die anderen haben wollen.”
Auf persönliche Erfahrungen konnte Hathaway zur Vorbereitung allerdings nicht zurückgreifen: “Ich habe zwei Brüder, die sind meine besten Freunde. Und mit meinen besten Freundinnen, die wie Schwestern sind, streite ich nie so heftig, wie Kym im Film mit ihrer Familie. Aber ich muss zugeben, es hat schon Spass gemacht, einmal nicht die eher passive Harmonie-Bemühte zu sein, die ich sonst bin.”